Zorko übt den Blick in die Kamera

Tatiana Oswald und «Zorko»: Was mit der Liebe zu einem Welpen begann, ist mittlerweile zu einer filmreifen Beziehung herangewachsen.
Ein ambitioniertes Team: Tatiana Oswald und ihr Collie «Zorko». (Bild: zVg | Avancani, Franca Lombardo)

Auf dem Übungsgelände an der Reuss bellen die Hunde um die Wette. Sie können es kaum erwarten, im Training zu zeigen, was sie können. Auch Collie «Zorko» steht freudig am Rand der Wiese. Dann darf er mit Besitzerin Tatiana Oswald den Platz betreten. Unter der Leitung von Karin Caxaj vom Kynologischen Verein Gebenstorf-Turgi übt «Zorko», sich beim Agility flink über Hindernisse und durch Pfosten hindurch zu bewegen. Auch den Sprung durch einen Reifen managt der bewegungsfreudige Hund souverän. Tatiana Oswald weist die Richtung, gibt Kommandos und belohnt mit Keksen. Klappt eine Übung noch nicht perfekt, motiviert sie «Zorko», es erneut zu versuchen.

Trainieren für den Film
Motivieren ist wohl nicht ganz der richtige Begriff, denn der 18-monatige Collie ist so freudig dabei, dass man ihn eher bremsen muss. «Die beiden haben schon sehr viel erreicht», sagt Marlis Sutter, langjährige Kursleiterin beim Kynologischen Verein, die das Geschehen vom Rand aus beobachtet. «Man merkt, dass sie viel und gern trainieren.» Seit Tatiana Oswald ihren Hund hat, ist sie oft unterwegs. Nebst den gemeinsamen Spaziergängen und den Übungsstunden nahe ihrem Haus in Gebenstorf fährt sie zu Hundeausstellungen – gerade hat «Zorko» in Luzern den Titel «Champion reserve» eingeheimst – und zu Kursen in der ganzen Schweiz.

Den weiten Weg nimmt die Hundebesitzerin auf sich, um «Zorko» als Filmhund auszubilden. Auf die Idee brachten sie die vielen Begegnungen auf den Spaziergängen, bei denen der menschenfreundliche Collie immer wieder mit «Lassie» angesprochen wurde. Die Hündin, deren Name bald für eine ganze Rasse stand, erlangte 1943 mit dem Film «Lassie come home» Weltruhm. Inspiriert von diesen Erlebnissen, beschloss Tatiana Oswald, mit «Zorko» das Filmhunde-Training in Angriff zu nehmen. «Ursprünglich wollte ich ihn zum Sanitäts- oder Therapiehund ausbilden», erzählt sie. «Aber dafür ist er ein wenig zu ängstlich.» Die promovierte Ingenieurin, die zu hundert Prozent bei der ABB tätig ist, zögerte nicht lange und meldete «Zorko» Anfang Jahr bei Anita Ziegler an. Diese führt die schweizweit einzigartige Firma «Filmtier.ch», welche Tiere, darunter nebst Hunden auch Katzen, Pferde, Hühner, Vögel und Schlangen, für Einsätze bei Shootings ausbildet.

Was ein Filmhund können soll, unterscheidet sich deutlich vom sonstigen Trainingsalltag. Er muss einen ausgeglichenen Charakter haben, sozial und geduldig sein und dazu noch clever. «Da ‹Zorko› ein Junghund ist, müssen wir an der Ausdauer noch arbeiten», lacht Tatiana Oswald. Denn die Ausführung der Kommandos für den Film ist anspruchsvoll. Gefordert ist hohe Präzision, und dies bei grosser Ablenkung. «Speziell ist auch, dass man ohne grosse Handzeichen und verbale Kommandos auskommen muss», erzählt Tatiana Oswald, die beim Training deshalb oft Schnalzlaute anwendet. «Es braucht viel Vertrauen zwischen Mensch und Tier, damit man diese hohe Präsenz erreicht.»

Den Blick halten können
Nach den ersten Tests, in denen geprüft wurde, ob «Zorko» auch bei Scheinwerfern und Blitzlicht ruhig bleibt und sich durch Geräusche nicht aus dem Konzept bringen lässt, ist nun Aufbautraining angesagt. «Der Hund muss nicht nur lernen, einen Befehl auszuführen, sondern auch, ihn erst auf Kommando wieder aufzulösen», berichtet Tatiana Oswald. So übt die 53-Jährige mit ihrem angehenden «Filmstar», das Essen erst anzurühren, wenn sie es erlaubt, und mit den Augen ihrer Hand zu folgen, bis sie das Kommando zum Abbruch gibt – das muss er später beim Blick in die Kamera beherrschen. Da solche Übungen von einem jungen Hund hohe Konzentration erfordern, wird «Zorko» zwischendurch immer wieder mit Spieleinheiten belohnt. Dass der Collie danach seine Spielzeuge selbst wieder in die Kiste räumt, ist Teil des Trainings. «Es macht grossen Spass, mit ihm zu üben», schwärmt seine Besitzerin. «Und ich spüre, wie sich dadurch unsere Beziehung vertieft.» Dass «Zorko» vor allem auch ein glücklicher Familienhund ist, zeigt sich, wenn Tatiana Oswald erzählt, wie gern er mit der Katze und seinem Hundekumpan aus der Ukraine im Garten und im eingezäunten Wald, der zum Haus der Oswalds gehört, rumspringt.

Dass sich die eingebürgerte Schweizerin, die lange im Ausland tätig war, bevor sie die Stelle bei der ABB in Baden antrat, einen Langhaarcollie ausgesucht hat, ist kein Zufall. «Ich bin mit Hunden aufgewachsen», erzählt sie in perfektem Hochdeutsch. «Und mein erster eigener Hund während des Studiums war ein Collie.» Als sie während der Pandemie vorwiegend im Homeoffice arbeitete, wuchs der Wunsch nach einem eigenen Hund wieder in ihr. 2021 erfüllte sich der Traum, und sie holte sich mit «Zorko» einen reinrassigen Welpen ins Haus. Sein Name stammt aus dem Slawischen und bedeutet «wachsam». Dank Homeoffice kann sich Tatiana Oswald die Zeit freier einteilen und sich  oft mit «Zorko» beschäftigen – dies braucht der Collie, der von der Abstammung her noch immer das Wesen eines Hütehundes in sich trägt. «Wenn mein Mann beim Spaziergang ein paar Meter vor mir geht, flitzt ‹Zorko› die ganze Zeit hin und her», schmunzelt Oswald. Ob der quirlige Collie dereinst so bekannt wird wie «Lassie», steht noch in den Sternen. «Wir lassen uns überraschen», sagt seine Besitzerin, «und trainieren erstmal mit grossem Spass weiter.»