«Menschen Ü60 haben andere Bedürfnisse»

Die Pro Senectute setzt sich für ältere Menschen ein. Dass das Angebot weit mehr als Kurse umfasst, ist Stellenleiterin Yvonne Berglund wichtig.
Ist seit zehn Jahren für die Pro Senectute im Einsatz: Yvonne Berglund. (Bild: zVg)

Yvonne Berglund, warum braucht es ein spezifisches Angebot für Menschen Ü60?
Die Bevölkerungsentwicklung mit der Zunahme der Anzahl älterer Menschen sehen wir als Herausforderung und Chance an. Wir setzen uns für das Wohlergehen der Altersgruppe Ü60 ein und stehen für selbstbestimmte und lebenswerte Altersjahre für alle sowie für Solidarität unter den Generationen und Kulturen. Nach der Pensionierung müssen sich die Menschen neu orientieren und suchen Gesellschaft und eine sinnvolle Betätigung. Wir bieten in verschiedenen Bereichen soziale Unterstützung und Einsatzmöglichkeiten an. Menschen Ü60 haben andere Bedürfnisse als junge Menschen, welche im Arbeitsprozess stehen.

Velotouren, Sprachkurse, Yoga: Was unterscheidet das Kursangebot der Pro Senectute von Anbietern mit altersmässig breiterem Zielpublikum?
Unsere Kurse und Sportangebote sind speziell auf Menschen Ü60 ausgelegt. Unsere Leitungspersonen im Sportbereich werden speziell ausgebildet. Die Beweglichkeit nimmt im Alter ab, und die Pro Senectute nimmt Rücksicht auf diese Gegebenheiten. Die Angebote beinhalten auch eine wichtige soziale Komponente. Das gesellige Zusammensein nach der Turnstunde oder dem Englischkurs ist genauso wertvoll wie die Weiterbildung selbst.

Wie unterstützt die Pro Senectute ältere Menschen über das Kursangebot hinaus?
Unser Angebot ist sehr vielfältig. Wenn das Alter beschwerlicher wird, können wir in vielen Bereichen unterstützen. So bieten wir Alltags- und Haushaltshilfe an und erbringen im Auftrag der Spitex alle hauswirtschaftlichen Leistungen. Die Gemeinden im Bezirk Brugg werden von der Spitex Region Brugg AG versorgt. In diesem Rahmen bieten wir vom Einkauf über das Kochen, das Besorgen der Wäsche bis hin zum Wochenkehr ein grosses Entlastungsangebot für unsere nahezu 500 Kundinnen und Kunden an. Rund fünfzig Mitarbeitende erbringen diese Leistungen im Bezirk Brugg. Zudem helfen wir bei der Administration, füllen Steuererklärungen aus, liefern Mahlzeiten persönlich ins Haus und helfen in schwierigen finanziellen Situationen. Unsere Sozialberatung ist kostenlos und unterstützt ältere Menschen finanziell und persönlich in allen Lebenslagen.

Warum ist Ihrer Meinung nach die Pro Senectute ein wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft?
Mit unseren rund 2000 Mitarbeitenden, 170 davon im Bezirk Brugg, sind wir ein wichtiger Arbeitgeber. Zudem bieten wir älteren Menschen die Möglichkeit, bis ins hohe Alter aktiv zu bleiben. Unser Bildungs- und Sportprogramm und unsere Mittagstische fördern die Bewegung und den Austausch. Mit Generationen im Klassenzimmer sorgen wir für wertvolle Generationenbeziehungen. Weiter bieten wir Vorträge zu wichtigen Altersthemen an. Dank unserem Einsatz geniessen viele Menschen ihren Lebensabend in ihrer gewohnten Umgebung, und die Angehörigen werden entlastet. Auch unsere kostenlose Sozialberatung ist ein wichtiger Pfeiler unseres Angebots.

Sie sind seit zehn Jahren für die Beratungsstelle Brugg im Einsatz. Was fasziniert Sie an dieser Arbeit?
Durch meine Tätigkeit als Gemeinderätin wurde ich auf den Altersbereich aufmerksam. Als Spitex-Präsidentin des Vereins im Schenkenbergertal und als Verwaltungsrätin im Alters- und Pflegeheim Schenkenbergertal wurde mir schnell klar, dass die älteren Menschen eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft sind und vieles erschaffen haben, von dem unsere Generation profitieren kann. Interessante Begegnungen, dankbare und engagierte Menschen sind der Grund, warum ich mich gerne und mit Herzblut für die Pro Senectute engagiere.

Wo in unserer Gesellschaft sehen Sie Bedarf für weitere Unterstützung von älteren Menschen?
Wohnen im Alter ist ein wichtiges Thema, und gerade im Bezirk Brugg fehlen alternative Wohnformen. Die Vereinsamung im Alter ist ein grosses Thema. Hier wäre es an der Zeit, dass Betreuungsdienste von der öffentlichen Hand unterstützt würden. Ein Spaziergang, ein Gespräch, spielen oder auch einfach nur zuhören und den Geschichten von früher lauschen: Das wirkt oft Wunder! Durch die fehlende Finanzierung müssen viele Menschen auf diesen wichtigen Dienst verzichten. Hier besteht Handlungsbedarf. Ebenfalls müssen die Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten ausgebaut werden.