Vom Flirt zwischen Skizze und Vollendung

Entre chien et loup: Der Kunstraum Baden zeigt das Werk von Gabi Fuhrimann von zwei Seiten. Und wird so zum inspirierenden Atelier.
«Hier zeigt sich das beharrliche Suchen und Dranbleiben der Künstlerin»: Claudia Spinelli, Leiterin Kunstraum Baden. (Bild: aru)

Die Freude an dieser Ausstellung ist Claudia Spinelli förmlich anzusehen. Die Leiterin des Kunstraums Baden führt mich an diesem Morgen von Werk zu Werk und erzählt dabei in bunten Farben vom Schaffen der Künstlerin Gabi Fuhrimann. Die ausgebildete Bildhauerin ist vor einem Jahr nach schwerer Krankheit verstorben – im Alter von 63 Jahren. In der Ausstellung mit dem Titel «Entre chien et loup», welche Spinelli gemeinsam mit dem Künstler Rolf Winnewisser, dem Ehemann von Gabi Fuhrimann, kuratiert hat, wird die Ennetbadener Kunstschaffende wieder lebendig.

Zitat und Befreiung
Frauengestalten bilden das Zentrum von Fuhrimanns Schaffen. Seit 1990 befasste sie sich intensiv mit der weiblichen Figur. «Gabi hat sich immer wieder gefragt: Wie kann ich der Kunst einen anderen Stempel aufsetzen, meinen weiblichen Blick einbringen?», erklärt Claudia Spinelli und zeigt auf ein Bild, das eine Füchsin zeigt, die eine Gans gestohlen hat. «Dieser freche Ausdruck, gepaart mit einer Prise Sexy­ness, ist typisch für die Künstlerin.» Fuhrimanns Bilder zeigen Frauen auch im Kontext von Mode und Design. Oft stehen ihre Protagonistinnen vor einem dem Konkretismus verhafteten Hintergrund, dessen Muster mit ihrem Kleid in Wechselwirkung tritt. Diese Ästhetik kommt nicht von ungefähr, ist Gabi Fuhrimann doch in einem «kunstsinnigen Elternhaus», wie Spinelli es nennt, aufgewachsen. Ihr Vater war Architekt, ihre Mutter Innenarchitektin. Im Elternhaus in Ennetbaden hat die Künstlerin bis zu ihrem Tod gemeinsam mit ihrem Mann gewohnt.

Die Aussstellung im Kunstraum ist ein Gemeinschaftswerk von Winnewisser und Spinelli. «Die Idee dazu hatte ich schon lange», erzählt die Kunsthistorikerin. «Leider hat es zu Lebzeiten mit der Umsetzung nicht mehr geklappt.» Den beiden Kunstschaffenden sei sie seit vielen Jahren verbunden. Den Anfang nahm die Freundschaft in Luzern, wo Spinelli Gabi Fuhrimann im Atelierhaus Bildzwang kennenlernte. Fast fünfzehn Jahre später sind sich die beiden wieder begegnet – Claudia Spinelli war damals als Assistentin am Kunst­museum Luzern tätig. Und jetzt zeugt die Ausstellung im Kunstraum von einer weiteren intensiven Begegnung der beiden Frauen – wenn auch posthum.

Doppelseitigkeit der Kunst
Der Ateliercharakter – den auch der in einem separaten Raum gezeigte Film von Max Teier künstlerisch aufnimmt – ist bewusst gewählt. Er lässt die Künstlerin noch einmal farbenkräftig lebendig werden und betont die Prozesshaftigkeit ihres Schaffens. Ausgestellt sind «Werke mit zwei Seiten» – Malereien auf Holztafeln, die man von beiden Seiten betrachten kann. Oft zeigt die «hintere Seite» eine unfertige, in irgendeiner Form missratene Skizze, die dann auf der Vorderseite aufgenommen und zu einem stimmigen Bild weiterentwickelt wird. «Man sieht sehr schön, wie Gabi Fuhrimann mit einem vertrauten Motiv beginnt und gleichzeitig darin verhaftet bleibt – bis sie sich davon befreit und in lockerer Art ihr Eigenes schafft», erklärt Claudia Spinelli. Sie zeigt auf das Werk mit den zwei Teekannen auf der einen Seite, das auf der andern Seite zwei Figuren aus dem Gangsterfilm «Pierrot le fou» von Jean-Luc Godard in Szene setzt, welche die Flucht ergreifen und symbolisch alles hinter sich lassen. «Das Unfertige, Unperfekte macht diese Ausstellung speziell», sagt Spinelli. Schliesslich sehe man sonst meist das vollendete Werk an den Wänden im Kunstraum. An Fuhri­manns Ausstellung könne man gut beobachten, dass oft gerade das «Ab­verheite» Spannung erzeuge und zu einer Auseinandersetzung anrege. Zusätzlich sei die Kunst durch diesen Ateliergroove stärker im Alltag verhaftet – was dem Werk Fuhrimanns entgegen kommt. «Sie war keine abgehobene Künstlerin», erzählt Spinelli – und bleibt vor ihrem Lieblingsbild stehen. Wie ein Skizzenblatt zeigt es das Experiment mit verschiedenen Techniken und Formen. «Und dann ragt da, quasi als Wunder der Malerei, diese türkisblaue Schale in ihrer kraftvollen Dreidimensionalität hervor», strahlt Claudia Spinelli – und ihre Augen leuchten wie das bunte Werk von Gabi Fuhrimann.