Zwei zusammenhängende Sätze mit Lukas Porro zu wechseln, war in den vergangenen Tagen schier unmöglich. Pausenlos klingelt sein Mobiltelefon. Alle wollen gratulieren: Freunde, Kollegen, Geschäftspartner, Familie, Bekannte und auch Unbekannte. «Ich bin noch etwas durch den Wind», sagt der Biersommelier und reibt sich die Augen. Am Vortag war er noch in München und kämpfte um Punkte. Mittlerweile sitzt er wieder im Büro der LägereBräu an der Klosterstrasse 40, wo er als Geschäftsführer tätig ist. «Da prallen gerade Welten aufeinander», gibt er zu.
Schweizer Biersommelier-Nati
Hinter dem 46-Jährigen liegt ein aufregendes Wochenende. An den Biersommelier-Weltmeisterschaften in München hat Porro den ausgezeichneten 4. Platz erreicht, und sein Tessiner Teamkollege Giuliano Genoni holte sogar als erster Schweizer den WM-Titel. «Ich bin stolz auf unsere Leistungen», fügt Porro hinzu.
In der Schweiz gibt es rund 550 Biersommeliers, weltweit ungefähr 7000. Aber was macht ein Biersommelier überhaupt? Der Ausdruck Sommelier ist historisch an die Verwendung als Vorkoster und Mundschenk und später als Berater angelehnt. Ein Biersommelier ist ein Experte für die Beurteilung von Bieren. Biersommeliers arbeiten bei Brauereien, in der Getränkeindustrie, im Getränkefachhandel oder in Restaurants. Sie beraten Einkäufer, Gäste, Gastronomen oder Kunden einer Brauerei. Eine wichtige Rolle spielt dabei seine Aussage zum Herstellungsprozess eines Biers.
Kein geschützter Titel
Der Titel Biersommelier ist nicht geschützt und auch kein anerkannter Ausbildungsberuf. Man erlangt ihn durch einen intensiven zweiwöchigen Lehrgang. Diesen hat Porro 2017 erfolgreich mit Diplom an der Doemens Akademie in Gräfelfing (Deutschland) abgeschlossen. «Eine unglaublich interessante Ausbildung, die dem Produkt Bier seit 2004 eine adäquate Plattform bietet», freut sich der Vater einer Tochter, der selbst einst Hobbybierbrauer war.
Auf die WM hin trainierte Porro intensiv mit der Schweizer Nationalmannschaft. Seit 2009 werden Biersommelier-Weltmeisterschaften ausgetragen. Die Welt-Titelkämpfe in München, bei denen 82 Teilnehmende aus 18 Ländern um den WM-Titel kämpften, trat er mit positiven Gedanken an. Die Konkurrenz kam aus Brasilien, Südkorea, aber auch aus Österreich und Deutschland. «Wir mussten drei Qualifikationsrunden überstehen», so der Zürcher.
Im ersten Durchgang ging es darum, Bierstile in zehn unterschiedlich gefüllten Gläsern zu erkennen. Auf einem Bogen musste die richtige Lösung aus dreissig möglichen Stilen notiert werden. Das sei äusserst anspruchsvoll gewesen. Runde zwei bestand aus Theoriefragen, und im dritten Durchgang mussten «off flavours» erkannt werden – bierstiltypische oder eben auch -fremde Aromen, die hochverdünnt einem Grundbier beigemischt wurden.
Geschärfte Sensorik
Ein Bier besteht ja nicht nur aus Wasser, Hopfen (es gibt über 250 Sorten!), Malz und Hefe, sondern erhält je nach Brauverfahren seinen eigenen Gusto. Weltweit gibt es ungefähr 150 Bierstile. Allein in einem Bier können bis zu 1400 flüchtige Verbindungen identifiziert werden. So kann ein Bier ein Butteraroma haben oder nach exotischen Früchten riechen, nach Mais oder Nelke, nach Banane oder grünem Apfel schmecken. «Hier wurde ich echt gefordert. Aber dank meiner geschärften Sensorik konnte ich in diesem Durchgang mit neun von zehn Punkten brillieren», erklärt Porro und krault an seinem Bart – seinem Markenzeichen: «Bei mir sind die Haare halt anders verteilt. Oben Glatze – unten Bart», schmunzelt der studierte Ökonom sowie Turn- und Sportlehrer.
Lukas Porro ist mit Leidenschaft Geschäftsführer der LägereBräu. Sein Kernteam besteht aus zehn Mitarbeitenden. «Wir sind ein kleines, feines Unternehmen und haben uns bestens auf dem Markt etabliert», sagt er. Seit Müllerbräu neu durch den Schaffhauser «Falken» hergestellt wird, ist die Wettinger LägereBräu die grösste regionale Brauerei.
Selber schätzt der Fachmann die Vielfalt der Biere. An diesem kühlen Tag würde er sich am liebsten das hauseigene «Imperial Stout» aus dem Cognacfass genehmigen. Das kräftige Bier wird fünf Jahre gelagert, riecht nach dunkler Schokolade und hat dezente Cognac- und Vanillenoten.
Mut zum Ausprobieren
Lukas Porro wünscht sich, dass die Konsumenten sich vermehrt trauen, nicht immer die gleichen Biere zu trinken, sondern sich auch mal an Ungewohntes heranwagen. Bier sei soviel mehr als ein einzelner Stil, «es gibt für jede Gelegenheit ein passendes Bier, mit welchem man das Geniessen noch vielfältiger zelebrieren kann», sagt der Experte. Auch der Beruf des Braumeisters sei interessant und bis anhin gar nicht so verbreitet. «Das ist sehr schade», findet Porro, der unter porrosbierwelt.ch eine eigene Website betreibt.
Er werde in den nächsten Tagen mit Freunden noch das eine oder andere Spezialitätenbier öffnen und über Erlebtes plaudern, fügt er an. Gefeiert darf auch im nächsten Jahr wieder werden: Dann darf die LägereBräu auf ihr 20-jähriges Bestehen zurückblicken.