Colette Degrandi, nach dem Regen spriessen die Pilze – und damit nehmen wohl auch die Anfragen bezüglich Vergiftungen an Tox Info Suisse zu. Welche Symptome sind für Pilzvergiftungen typisch?
Es gibt unzählige verschiedene Pilze. Aus toxikologischer Sicht gibt es ungefähr sechzehn verschiedene Syndrome, das heisst Symptomkomplexe. Am häufigsten ist das sogenannte Indigestionssyndrom, bei dem es innerhalb von wenigen Stunden nach dem Verzehr von Speisepilzen zu Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall kommt. Ausgelöst wird es durch den Genuss roher, verdorbener oder falsch zubereiteter Pilze oder durch zu üppige Mahlzeiten. Ebenfalls häufig ist das gastrointestinale Frühsyndrom mit den gleichen Symptomen, aber ausgelöst durch bestimmte Pilze wie zum Beispiel Karbolegerling oder Satansröhrling.
Pilze haben ja ganz verschiedene Arten von Gift, manche sind beispielsweise nur in Kombination mit Alkohol wirksam. Bei welchen Pilzgiften ist spezielle Vorsicht geboten?
Beim Coprinus-Syndrom kann der Alkohol nicht vollständig abgebaut werden. Das bedeutet: Beim Genuss bestimmter Pilze zusammen mit Alkohol kommt es zu Vergiftungssymptomen wie Hitzegefühl, Hautrötung, Schwindel und Herzrasen. Es gibt auch Pilze, die einen Rausch auslösen, zu Halluzinationen führen oder ein Koma verursachen. Diese Vergiftungen haben eine gute Prognose, ein Aufenthalt im Spital ist nicht immer nötig.
Der weisse und der grüne Knollenblätterpilz enthalten ja das Gift Amanitin, das Organe schädigt und langsam wirkt. Wie merkt man dieses Gift möglichst frühzeitig?
Leider ist es so, dass bei diesen Pilzen die Zeitdauer, bis erste Symptome auftreten, sehr lange sein kann, also 6 bis 24 Stunden. Die antidotale Therapie, das heisst, die Therapie mittels Gegenmittel, sollte aber so früh wie möglich begonnen werden – idealerweise, bevor erste Symptome auftreten. Die Vergiftung verläuft in drei Phasen: Die erste, die nach 6 bis 24 Stunden in Erscheinung tritt, ist symptomlos. In der zweiten Phase kommt es zu heftigen Magendarmsymptomen, und in der dritten Phase, das heisst nach 24 bis 48 Stunden, tritt eine scheinbare Besserung ein – bis das Leberversagen sichtbar wird. In diesem Stadium verhindert häufig nur noch eine Lebertransplantation, dass die betroffene Person stirbt.
Und was soll man denn tun, wenn man einen schlechten oder giftigen Pilz erwischt hat?
Wichtig ist, dass die Pilze vor dem Verzehr von einem Pilzkontrolleur geprüft werden. So kann sichergestellt werden, dass kein giftiger Pilz dabei ist. Wenn dann trotzdem Symptome auftreten, handelt es sich sicher nicht um eine lebensbedrohliche Situation. Und alles, was es braucht, ist ein wenig Ruhe und ausreichend Flüssigkeit.
Wenn aber im Nachhinein Zweifel auftauchen und nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein amatoxinhaltiger Pilz gegessen wurde, erfordert dies nicht selten eine teure Behandlung im Spital und aufwändige Abklärungen.
Wie viele Pilzvergiftungen werden bei Tox Info Suisse jährlich registriert?
Wir machen hier einen Unterschied. Telefonische Beratungen zum Thema Pilzvergiftungen haben wir über unsere Notfallnummer 145 im vergangenen Jahr rund 700 geleistet. Ebenfalls führen wir eine Statistik zu den Pilzvergiftungen, die auf ärztlichen Rückmeldungen basieren. Für 2021 zeigt die Statistik insgesamt 57 Fälle, wobei wir diese zusätzlich detailliert einordnen bezüglich Schweregrad und Kausalität.