«Ikea war wie eine Familie»

Sie war 27 Jahre im Top-Kader des schwedischen Möbelhauses. Dann machte sich Beate-Christin Hastedt selbständig – und hat es nie bereut.
«Uns kennt man in der Halde»: Beate Hastedt mit Hündin Emma. (Bild: is)

Es wird Abend an der Kronengasse 20F in der Badener Altstadt, Zeit für einen Spaziergang mit Emma. «Komm», sagt Beate-Christin Hastedt zu ihrer Hündin – eine Mischung aus Berner Sennenhund und Golden Retriever. Gemeinsam spazieren sie durch die Kronengasse und die Limmat entlang. «Emma kennt man hier in der Halde», sagt die 52-Jährige und lacht. Emma kam während des Lockdowns in ihr Leben – in einer Phase, in der sich bei der gebürtigen Deutschen aus Schweinfurt (Bayern) alles änderte. «Ich wollte mich mit Ende 40 nochmal komplett neu ausrichten.» Damals sass sie oft auf der Dachterrasse über dem «Barrique», wo Hastedt mit ihrem norddeutschen Ehemann wohnt, und schaute auf die Hochbrücke: «Alles war ruhig. Das war eindrücklich. Aber ich genoss es sehr, nach Jahren 24/7 auf Empfang einfach mal nichts zu machen», gibt sie zu.

Vater war Offizier
27 Jahre lang lang war Beate-Christin Hastedt in verschiedenen Führungsfunktionen international bei Ikea tätig. Zum schwedischen Möbelhaus war sie nach einem Pädagogik-Studium eher zufällig gestossen. «Ich bewunderte immer die Menschen, die genau wussten, was sie wollten. Bei mir war das früher nie so», beteuert sie. Schnell kam sie im Headquarter in Wiesbaden in Führungsfunktionen, managte Eröffnungen, erstellte Konzepte und leitete Projekte. «Alle drei Jahre wechselte ich intern.» Ein Muster, das sie aus ihrer Kindheit kennt: Der Vater war als Offizier in der Armee tätig, und die Familie zog oft um.

2014 wurde Hastedt in die Schweizer Ikea-Zentrale in Spreitenbach beordert mit dem Auftrag, die Bau- und Expansionsabteilung auf nationaler Ebene zu führen. «Viereinhalb Jahre lang leitete und entwickelte ich die Abteilung. Dann kam eine Reorganisation, die ich begleitet habe. Danach hätte ich entweder nach Deutschland zurück oder in ein anderes IKEA-Land gehen können», erinnert sich die quirlige 52-Jährige. Ihr Mann wollte jedoch nicht noch einmal umziehen, und so entschied sich das Paar, in der Schweiz zu bleiben und hier nochmals etwas Neues aufzubauen.

Nach 27 Jahren Ikea zu verlassen, das sei für sie ein «ganz grosser Schritt» gewesen, und viele in ihrem Umfeld waren komplett überrascht. «Ikea war wie eine Familie», sagt Beate-Christin Hastedt nachdenklich. Während der Reorganisation war sie in Kontakt mit Consulting-Firmen gekommen. Die nahe und unterstützende Begleitung von Menschen habe ihr gefallen, sagt sie, «und in meinem Freundeskreis kamen viele immer gerne zu mir, um ihr Herz auszuschütten». Sie liess sich zum Coach ausbilden, hatte zuvor nebenbei schon die Prüfung zur Yoga-Lehrerin gemacht. «Mir war klar, dass ich meine Passionen in mehreren Richtungen leben wollte», sagt Hastedt.

Und dann kam Corona – und auch der Entscheid, Emma zu holen: «Da hat sich alles zusammengefügt.» Beim Spaziergang mit Emma an der Limmat entdeckte Beate-Christin Hastedt das Haus an der Kronengasse 20F und fand: «Das wäre perfekt für Yoga!» Die ehemaligen Räumlichkeiten der Klubs Promi und Inox standen seit rund zwei Jahren leer. Nach der Besichtigung drückte ihr Vermieter Jürg Schoop die Schlüssel in die Hand und sagte: «Überlegen Sie es sich. Ich habe ein gutes Gefühl.» Das habe sie sehr berührt, sagt Hastedt, und sie unterschrieb einen Mietvertrag für rund 200 Quadratmeter auf zwei Etagen.

Pferdegestütztes Coaching
Ihren Schritt in die Selbständigkeit hat die Unternehmerin noch nie bereut. Seit zwei Jahren bietet sie nun im «ZwanzigEff» unter dem Label «Namaste Yoga Baden» Kurse in einem lichtdurchfluteten Gruppenraum an. In einem anderen Zimmer befindet sich ihre «Coaching-Fabrik», wo Hastedt als Privat- und Business-Coach Unternehmen und Einzelpersonen berät. Zudem arbeitet sie für pferdegestützes Coaching eng mit einer guten Freundin zusammen, die in der Nähe von Frankfurt einen Pferde­betrieb führt: «Die Pferde spiegeln uns, und daraus können wir Erkenntnisse über das eigene Verhalten ziehen», so Hastedt. «Sie eignen sich hervorragend für Team- und Führungstrainings.»

Mittlerweile sind neun weitere Frauen ins «ZwanzigEff» eingezogen. In der Praxisgemeinschaft sind Yoga, Coaching, Psychologische Beratung, Meditation und Massage unter einem Dach vereint: «Wir haben eine tolle Chemie und sehen uns als Ergänzung, nicht als Konkurrenz», freut sich die Hauptmieterin. Das «ZwanzigEff» ist neu auch Wellnesspartner der Tourismusdestination Baden.

Neben ihren Firmen arbeitet Beate-Christin Hastedt als Coach für berufliche Neuorientierung und engagiert sich freiwillig in diversen Institutionen. Sie unterstützt Frauen-Business-Networkings, begleitet junge Führungskräfte und coacht humanitäre Einsatzkräfte, betreut als «Power-Coder» Flüchtlinge und vermittelt diesen Praktikumsstellen. «Ich habe eine junge Afghanin betreut. Zu sehen, was Flüchtlinge auf ihrem Weg erleben, macht demütig und dankbar zugleich», sagt Hastedt: «Mit meinem Engagement möchte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben.» Aus diesem Grund ist sie auch im Vorstand des Vereins «Halde Baden», der sich für das Gewerbe in der Altstadt engagiert.