Zusammenspiel der Generationen

Der Chor der Kantonsschule Wettingen, das Orchester Stella Maris und das Vocalino bringen gemeinsam zwei zeitlose Werke zur Aufführung.
Aufführung von Carl Orffs «Carmina Burana» (2023) in der Klosterkirche. (Bild: zVg)

Das gegenwärtig turbulente Weltgeschehen mit seinen besonderen Herausforderungen nehmen der Chor der Kantonsschule Wettingen, das Stella Maris Orchestra sowie das Vocalino Wettingen zum Anlass, sich an ein grosses Meisterwerk der Chorliteratur zu wagen: «Ein deutsches Requiem» des deutschen Komponisten Johannes Brahms. Dieser schuf das Werk zwischen 1865 und 1868. Die endgültige Fassung besteht aus sieben Sätzen, in denen Brahms Texte aus der deutschen Bibel vertonte.

Das Werk behandelt die Sterblichkeit des Menschen sowie die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und soll vor allem den Hinterbliebenen Trost spenden. Es ist von Ernst, Würde und Zuversicht geprägt und soll die Last Leidtragender lindern. Es ist ein aussergewöhnliches Werk, das Trauer und Trost auf tiefgründige und bewegende Weise miteinander verbindet. Brahms meisterhafte Komposition und die kraftvollen Texte geben den Zuhörern Hoffnung und Zuversicht in Zeiten des Verlusts.

Äusserst anspruchsvolle Thematik
Im gleichen Programm erklingt eingangs und räumlich getrennt «Der Abschied» aus Gustav Mahlers «Lied von der Erde». Dieses beeindruckende Werk des österreichischen Komponisten wurde ursprünglich zwischen 1908 und 1909 niedergeschrieben und ist eine Kombination aus Liedzyklus und Sinfonie. Genau wie Brahms «Requiem» befasst sich Mahlers «Abschied» mit kniffligen Themen. Es ist ein tief bewegendes und komplexes Werk, das die Grenzen von Leben und Tod auf einzigartige Weise erkundet. Mahlers Musik lädt die Zuhörerinnen und Zuhörer ein, sich mit den eigenen Ängsten und Sehnsüchten auseinanderzusetzen und im Abschied neue Perspektiven zu finden. Das Werk besticht durch seine tiefe Emotionalität und mit seiner kraftvollen Botschaft.

Die Leitung der Konzerte obliegt Cristoforo Spagnuolo, der das Orchester Stella Maris dirigiert. Die Sopranistin Noëmi Sohn, die Altistin Anne Heffner sowie der Bass-Bariton Markus Volpert werden die drei geplanten Aufführungen mit ihrem Gesang bereichern. Gemäss Spagnuolo sind sowohl «Ein deutsches Requiem» als auch Mahlers Sinfoniesatz «Der Abschied» – vom musikalisch-technischen Gesichtspunkt aus betrachtet – tatsächlich «schwere» Werke. «Aber genau diese Herausforderung wollen wir mit unseren jungen Sängerinnen und Sängern bewältigen. Kein Glücksgefühl ist so gross, als wenn man nach einem fordernden Aufstieg den Gipfel erklimmt. Inhaltlich beschäftigen sich die beiden Werke mit ewig aktuellen Fragen, mit denen sich besonders Jugendliche befassen. Zudem spricht die Musik die jungen Menschen ganz direkt an, weil beide Kompositionen meisterhaft romantische Stilelemente mit wuchtigen und klangprächtigen Stilmitteln verknüpfen», ist Christoforo Spagnuolo überzeugt.

Mehr über die Tradition der Chorkonzerte im Allgemeinen und in Wettingen im Besonderen sowie über die damit verbundenen besonderen Herausforderungen erfährt man im Dokumentarfilm «Monteverdi für die Insel», der die Schwierigkeiten und den Prozess der Erarbeitung solcher Werke an einem konkreten Beispiel herausarbeitet. Der Film ist auf Youtube zu finden.

Körperliche und gesangliche Aufgaben
«Die Komplexität und die technischen Raffinessen dieser beiden Werke halten eine Vielzahl von Herausforderungen bereit. Die Hauptschwierigkeit ist aber die Länge des ‹Deutschen Requiems›. Der Chor ist permanent am Singen. Das ist für die körperliche beziehungsweise die gesangstechnische Kondition und für die Konzentration eine gewaltige Aufgabe. Ausserdem ist es nicht immer ganz einfach, zwischen dem grossen Sinfonieorchester und einem 100-köpfigen Chor eine Klangbalance herzustellen, besonders in zwei verschiedenen Räumen mit unterschiedlicher Akustik wie in der Klosterkirche Wettingen und in der Stadtkirche Brugg», erklärt Cristoforo Spagnuolo. «Die Auffassungsgabe und die Flexibilität unserer Schülerinnen und Schüler sind so gross, dass solche Schwierigkeiten aber in der Regel mit entspannter Virtuosität gelöst werden.»

«Wir arbeiten leidenschaftlich daran, die Tradition des vorhergehenden Vereins Wettinger Sommerkonzerte aufrechtzuerhalten und regelmässig bei Konzerten aufzutreten», betont Hansjörg Frank, Chorleitung der Kantonsschule Wettingen. Mit Schülerinnen und Schülern werden grosse Werke der Chorliteratur erarbeitet, was als Inspiration für die Jugendlichen im Hinblick auf spätere eigene Unternehmungen und Vorhaben dienen soll.

Wann wurde eigentlich mit den Proben für die Aufführungen begonnen, um dem ambitionierten Projekt gerecht zu werden? «Mit dem grossen Chor proben wir seit dem letzten August immer wieder an den verschiedenen Sätzen des Brahms-Requiems. Auch ist geplant, wie jedes Jahr mit einem Teil des Chors in Ligerz am Bielersee zu proben. Weiter werden wir mit der vollen Besetzung eine Woche vor den Aufführungen eine intensive Probewoche haben. Den Orchesterpart werden wir eine Woche vor den Aufführungen zusammensetzen und proben. Sämtliche Teile zusammenzuführen, die an einem Projekt dieser Grösse beteiligt sind, bedeutet ein organisatorischer Kraftakt. In dieser Hinsicht arbeitet der langjährig eingespielte Vorstand bravourös zusammen, wofür jeder Dirigent nur dankbar sein kann», ergänzt Cristoforo Spagnuolo.

Man darf sich also auf ein aussergewöhnliches und musikalisch hochstehendes Konzerterlebnis freuen, bei dem ein Chor von über 100 Sängerinnen und Sängern, ein Orchester aus professionellen Musikerinnen und Musikern sowie begabte Studierende und renommierte Solisten das Publikum in ihren Bann ziehen. Ein Projekt, das verschiedene Generationen in zwei der klangschönsten und bedeutendsten Meisterwerke der Musikgeschichte vereint.

Freitag, 3. Mai, 19.30 Uhr, Samstag, 4. Mai, 19.30 Uhr, Klosterkirche, Wettingen
Sonntag, 5. Mai, 17 Uhr, Stadtkirche, Brugg
kswe-chor.ch