«Ein Symbol für die Zusammenarbeit»

Von den Kreuzäckern bis Spreitenbach West: Eine vir­tuelle «Fahrt» mit der neuen Bahn, die den Verkehr in der ganzen Region entlasten soll.
Schöner Zufall: Beim Fototermin mit Markus Mötteli im «Kreuzäcker» naht ein LTB-Tram auf Testfahrt. (Bild: is)

Noch wirkt der Bahnhof Shoppi/Tivoli etwas trostlos und verlassen. Die Aufgänge zum Einkaufszentrum sind mit Absperrbändern verschlossen, auch Lift und Beleuchtung sind noch nicht in Betrieb. Am kommenden Wochenende wird sich das schlagartig ändern. Dann wird die Limmattalbahn im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Depot in Dietikon feierlich eröffnet, ehe sie am Sonntag mit dem Fahrplanwechsel den Betrieb aufnimmt. Für das 12 000-Einwohner-Dorf Spreitenbach ein Meilenstein in der Dorfgeschichte.

Gemeindepräsident Markus Mötteli freut sich auf die Inbetriebnahme und sagt: «Endlich hat auch Spreitenbach einen Bahnhof.» Tatsächlich: Die Haltestelle Shoppi Tivoli ist die einzige Station zwischen Zürich und Killwangen mit Mittelperron und wirkt optisch mit dem Lift und grossen Sitzbänken wie ein Bahnhof.

Der Bahnhof befindet sich im Sockelgeschoss der neuen Überbauung «Tivoli Garten», die bis Ende 2024 bezugsfertig sein soll. Die Gemeinde rechnet mit 1000 zusätzlichen Einwohnern in den 445 Wohnungen. «Spreitenbach wird weiterwachsen, nach Umsetzung der neuen BNO rechnen wir mit bis zu 15 000 Einwohnern», erklärt Mötteli. Die Limmattalbahn ist ein wichtiger Pfeiler dieses Prozesses: «Hier können wir die weitere Entwicklung entlang der neuen Bahnstrecke steuern», so Mötteli. Rund um die Limmattalbahn entsteht ein neues Zentrum der Gemeinde. Auch das neue Gemeindehaus, das derzeit oberhalb vom Shoppi erstellt wird, rückt näher. Die Limmattalbahn hat in Spreitenbach fünf Haltestellen. Die «Rundschau» hat sich auf eine virtuelle Rundfahrt begeben.

«Kreuzäcker»
Die erste Haltestelle auf Aargauer Boden befindet sich an der Grenze zu Dietikon und zum Kanton Zürich. In den benachbarten Neubauten sind bereits viele Geschäfte eingezogen. Vom Kreuzäcker aus ist auch das Depot der Limmattalbahn im «Müsli» zu sehen. Es steht auf Zürcher Boden, ist aber von Aargauer Seite her erschlossen. «Es symbolisiert damit die Zusammenarbeit der beiden Kantone», sagt Mötteli. Kurz vor der Haltestelle Kreuzäcker quert die Limmattalbahn an der Abzweigung Müsli-/Industriestrasse einen Kreisel mit Lichtsignalanlage. Dort können Trams auch Richtung Depot abzweigen. «Kreuzäcker» ist Umsteigepunkt des neuen Ortsbusses der RVBW-Linie 13, die den bisherigen Bus Nummer 303 ersetzt. Der «13er» fungiert als Zubringer zur Limmattalbahn, die dann die Fahrgäste zu den Bahnhöfen in Killwangen oder Dietikon transportiert.

«Ikea» 
Nächster Halt: «Ikea». Dort steigen nicht nur die Kunden und Mitarbeitenden des schwedischen Möbelhauses aus, sondern auch alle, die zum Gebäudekomplex «Limmatspot» mit dem Kino Pathé oder auf die andere Seite zum Sportplatz Mittlerzelg wollen. Von der Haltestelle «Ikea» fährt die Limmattalbahn durch den «Limmatspot» hindurch, quert die Zentrumsstrasse und erreicht schliesslich den «Bahnhof».

«Shoppi Tivoli»
Die beiden Einkaufszentren wollen mit der Eröffnung der Limmattalbahn zusätzliche Kundschaft aus Zürich anlocken. Der «Bahnhof» auf EG-Ebene wurde bereits im September eingeweiht. Als offizieller Akt fuhr damals zum ersten Mal eine in Rot und mit dem Shoppi-Tivoli-Logo gebrandete Fahrzeugkomposition ein. Sie wird für mindestens eineinhalb Jahre auf der Linie verkehren.

Eine Rolltreppe führt vom «Bahnhof» direkt zum überdachten Eingang der Center Mall hoch. Shoppi und Tivoli bleiben künftig sogar sieben Tage die Woche für die Öffentlichkeit zugänglich, damit Fahrgäste und Passanten auch ausserhalb der Öffnungszeiten in Richtung Dorf hinaufgehen können, ohne die Strasse queren zu müssen. «Im Hinblick darauf sind hier einige neue Gastrobetriebe eingezogen», verrät Mötteli. Auf der anderen Seite führt eine Treppe hinauf zum öffentlichen Teil der Stadtterrasse. Von dort sind Passarellen hinüber zum Kino Pathé und sogar bis zu Ikea geplant, ähnlich wie bereits auf der anderen Seite vom Tivoli zur Umwelt-Arena. Der private Teil der Stadt­terrasse gehört zum «Tivoli Garten». Unter der Stadtterrasse wird Ende 2023 ein Obi-Baumarkt eröffnet.

«Umwelt-Arena»
Die nächste Haltestelle befindet sich dem reinen Wohngebiet (Rotzenbühlstrasse und Langäckerquartier) am nächsten. Die nach der Umwelt-Arena Schweiz benannte nächste Haltestelle hiess in der Planungsphase ursprünglich Furttal, da sie nahe der Kreuzung Furttalstrasse liegt. Haben die drei Unternehmen für die Namensrechte bezahlt? «Nein», so Mötteli: «Die Haltestelle Ikea existierte bereits für den Bus, und bei den anderen beiden lag es einfach auf der Hand. Die Namensgebung wurde vom Kanton mitbestimmt und abgesegnet.»

«West»
Beim früheren Ikea-Standort befindet sich die letzte Spreitenbacher Haltestelle. «Auch dieses Gebiet soll durch die neue BNO aufgewertet werden», erklärt Mötteli. Derzeit ist es eine reine Arbeitsplatzzone A3, die Gemeinde möchte daraus eine gemischte Zone Wohnen und Gewerbe machen. Aufgrund des neuen Raumplanungsgesetzes muss auch Spreitenbach eine innere Verdichtung anstreben. Von «West» aus fährt die Limmattalbahn via Rampe zum Bahnhof Killwangen/Spreitenbach hinunter, wo die Strecke vorläufig endet und das Tram wieder in Richtung Zürich fährt.

Und weiter bis nach Baden?
Eine Weiterführung ab Killwangen via Neuenhof, Wettingen bis nach Baden ist zwar angedacht, stösst aber in der Bevölkerung auf Widerstand und ist noch weit von einer Realisierung entfernt. «Es wäre jedoch sehr wichtig, dass die Limmattalbahn bis Baden führt. Die verbindende Infrastruktur ist ein wichtiges Element im Hinblick auf die Limmatstadt», so Markus Mötteli. Mehrere Limmattaler Gemeinden und Städte – bis hin zu Turgi – positionieren sich in der «Limmatstadt» als Teile einer ganzen Stadtregion, die gemeinsam eine starke Stimme bilden. Er verstehe aber die Skepsis der betroffenen Gemeinden. Denn in Neuenhof und Wettingen würde die LTB mitten durch die Ortschaften führen, wie in Dietikon oder Schlieren, wo die Bevölkerung deshalb anfänglich gegen die Limmattalbahn war. «Vielleicht muss man die geplante Linienführung nochmal diskutieren», sagt der Gemeindepräsident.

In Spreitenbach kam es nie zu einer Abstimmung in der Bevölkerung. Dies wäre nur mittels Referendum nach dem Entscheid des Grossen Rats möglich gewesen. Da die Hauptachse der Limmattalbahn eher peripher durch Gewerbegebiet verläuft und nicht mitten durchs Dorf Spreitenbach, war der Widerstand hier nie riesig. Andererseits ist die Bahn dadurch nicht so zentral gelegen. Dem soll jedoch der neue Ortsbus 13 Abhilfe schaffen. Limmattalbahn und Individual­verkehr funktionieren dank des eigenen Trassees der neuen Bahn nebeneinander, und so soll der Verkehr entlastet werden. Bis sich das eingespielt habe, werde aber sicher Zeit vergehen, ist Markus Mötteli überzeugt: «Die Limmattalbahn wird nicht alle Verkehrsprobleme von heute auf morgen lösen.» Das Weihnachtsshopping im Shoppi/Tivoli wird wohl dieses Jahr immer noch mit dem Auto erledigt.