Im Einsatz für gemeinnütziges Wohnen

Die Umwandlung von Wohnbaugenossenschaften in ­Aktiengesellschaften ist ein zunehmendes Phänomen. ­Betroffene warnen davor.
Liegenschaften der Wohnbaugenossenschaft Wasserschloss/Benevolentia AG in Windisch. (Bild: sim)

An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember wurde beschlossen, die WBG Wasserschloss, die Liegenschaften in Mägenwil, Untersiggenthal und Windisch besitzt, in die Aktiengesellschaft «Benevolentia» umzuwandeln. Die bisherigen Mitglieder des Genossenschaftsvorstands werden voraussichtlich auch den Verwaltungsrat der neuen AG stellen. Adrian Rehmann, der Präsident des Regionalverbands Aargau der WBG-Schweiz, bedauert diesen Beschluss: «Wir hatten im Aargau bereits einen sehr ähnlichen Fall.» Christophe Müller und Peter Koch, beide Mieter der Genossenschaft und Genossenschafter, hatten im Vorfeld der Abstimmung mit Unterstützung von Adrian Rehmann und Teilen der betroffenen Mieterschaft versucht, diese Entwicklung abzuwenden – ohne Erfolg. «Als ich Mieter wurde, hatte ich wiederholt angefragt, ob ich auch Mitglied der Genossenschaft werden könne, doch der Vorstand antwortete mir, dass das für sie nur attraktiv sei, wenn ich Anteilsscheine für mindestens 100 000 Franken zeichne. Dabei kostet einer nur 100 Franken», beklagt Andrej Lehmann, der 2018 eine Genossenschaftswohnung in Untersiggenthal bezog.

Die Weichen für die nun eingetretene Entwicklung seien schon vor Jahren mithilfe von zwei damals wenig beachteten Statutenänderungen gestellt worden, erklärt Christophe Müller.

Versäumnisse eingeräumt
2013 wurde das Erfordernis aufgehoben, dass Mietende von Genossenschaftswohnungen auch Mitglieder der Genossenschaft sein müssen. 2016 unterbreitete der WBG-Vorstand nach einer entsprechenden Statutenanpassung dann sämtlichen Genossenschafterinnen und Genossenschaftern das Angebot, ihre Anteile in Mietkautionen und Barzahlungen umzuwandeln. Viele der damaligen Genossenschaftsmitglieder machten von dieser Option Gebrauch. Dadurch reduzierte sich die Anzahl der Mitglieder drastisch, und der Einfluss der Mietenden in der Genossenschaft schwand. «Es gab leider eine Reihe betrüblicher Ereignisse und Versäumnisse unsererseits», bedauert Müller, «im Nachhinein ist es sehr ärgerlich, dass viele ihre Genossenschaftsanteile leichtfertig eingetauscht und damit ihr Stimmrecht verwirkt haben.» Allerdings moniert er, dass dieser Umstand durch die Kommunikation des Vorstands mitverursacht worden sei, da dieser sehr einseitig die Vorteile der Umwandlung betont habe.

Die Umwandlung der WBG Wasserschloss in die Benevolentia AG erfolgt wohl nicht zufällig zum jetzigen Zeitpunkt. Wie viele Genossenschaften hatte auch die WBG Wasserschloss Darlehen des Bundes im Rahmen des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes (WEG) erhalten. Trotz dieser Förderbeiträge stand die Genossenschaft zwischenzeitlich finanziell schlecht da und galt als Sanierungsfall. Der Bund erliess der WBG Wasserschloss deshalb Teile der Darlehensrückzahlung im Umfang von rund einer Million Franken. Gleichzeitig waren die Förderbeiträge an Bedingungen geknüpft, welche die Mietzinsen deckelten und die Umwandlung in eine AG verhinderten.

Keine Mietzinserhöhung geplant
Ende Juni dieses Jahres endete die vertragliche Bindung zwischen dem Bund und der WBG Wasserschloss. Gute sechs Monate nach dem Ende der Verpflichtungen ist die Umwandlung zur Aktiengesellschaft nun formell beschlossene Sache. Einige Mietende befürchten deshalb künftig markant höhere Mietzinsen. «An den Mieten und Mietverhältnissen wird sich nichts ändern. Das Rechtskleid ist ein anderes, sonst bleibt alles gleich», betont Benjamin Merkli, Präsident der WBG Wasserschloss. «Zudem waren wir auch bisher nicht gemeinnützig im Sinn von steuerbefreit, und die Wohnungen sind, was sie sind. Wir könnten die Mietzinsen nicht einfach erhöhen, selbst wenn wir wollten. Das ist aber nicht der Fall», fährt er fort. Seine Beteuerungen überzeugen die Mieterschaft allerdings nicht restlos. Rechtlich sind die Vorgänge im Zusammenhang mit der Umwandlung der WBG Wasserschloss in die Benevolentia AG – soweit ersichtlich – nicht zu beanstanden. Dies sei lediglich «moralisch verwerflich», wie Chris­tophe Müller findet. Gemeinsam mit anderen Mietenden prüft er nun mögliche rechtliche Schritte. Sie erhoffen sich dadurch eine Aufarbeitung der Vorgänge, die zur Auflösung der WBG Wasserschloss geführt haben. Zudem soll ihre Geschichte ein Lehrstück für andere Wohnbaugenossenschaften sein, damit ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfährt. Dem Kanton Aargau gehen dadurch nun zwei Prozent seiner «gemeinnützigen Wohnungen» verloren.