«Ich provoziere gern mit meiner Karte»

Mit 27 Jahren hat Niklas Schneider den «Grossen Alexander» zum besten Restaurant der Stadt gemacht – und das «Paradies» wiederbelebt.
Niklas Schneider (27) führt den «Grosser Alexander» und das «Paradies». (Bild: Archiv)

Niklas Schneider, Sie haben die Gault-Millau-Tester mit «Kebap und Pommes» überzeugt. Wie haben Sie das bloss geschafft?
(lacht) Ich habe tatsächlich lange überlegt, ob ich das so auf die Karte setzen kann, und ich habe mich dann ganz bewusst dafür entschieden. Aber nach einigem Überlegen schrieb ich doch noch ein paar Bestandteile dazu: Sellerie, Miso, Zwiebel – das fanden sie am geilsten. Ich provoziere gern!

Mit Erfolg: Die Tester jubelten, Sie seien «ein Glücksfall für Baden».
Als wir 2021 neu mit 14 Punkten einstiegen, dachte ich anfangs, dass jetzt sicher Gäste mit höheren Ansprüchen kommen. Aber das war gar nicht so. Die meisten kamen ohne Erwartungen und wollten sich über­raschen lassen. Ziel ist ja, dass sie dann wiederkehren. Einmal glänzen kann fast jeder, aber jeden Tag die Leistung auf gleichem Niveau abzurufen, das ist die hohe Kunst.

Ihre Gerichte sehen schlicht aus, sind aber mega kompliziert, sagt Ihr Berufskollege Enrique Isler vom «Plü» im Grand Casino Baden.
Das ist wohl unsere grösste Stärke. Daniel Streiff und ich sind ja nur zu zweit in der Küche, aber die von uns kreierten Teller sehen so aus, als hätte eine ganze Brigade daran gearbeitet.

Und Sie servieren sie auch noch selber. Wie viele Schritte machen Sie eigentlich an einem Abend?
Das hat mich tatsächlich einmal interessiert und ich habe gemessen: Es waren 18 000 Schritte an einem Abend. Wir haben Platz für 24 Gäste. Im besten Fall schickst du an einem Abend für das Fünfgangmenü 24-mal 5 Teller, macht 120.

Wie reagieren die Gäste darauf, vom Chef persönlich bedient zu werden?
Am Anfang realisieren das viele gar nicht. Ich frage immer, ob es geschmeckt hat. Neunzig Prozent der Gäste sagen dann «ja». Dann hake ich nach, was ihnen denn am besten geschmeckt habe. Darauf tauen viele auf und trauen sich auch zu sagen, wenn sie etwas nicht so mochten. Und genau das hilft uns ja – nicht die Komplimente. Wenn du immer nur das Gute hörst, denkst du, du bist der Hero – während in der Stadt das Gerede anfängt … Am Ende ist es immer Geschmackssache. Ich gehe oft mit meiner Freundin in anderen Restaurants essen. Erst kürzlich waren wir im «Plü».

Auf Instagram posten Sie manchmal, wenn kurzfristig ein Tisch frei wird. Warum?
Das machen wir dann, wenn Leute reserviert haben, aber nicht erscheinen – sogenannte «No-shows». Manchmal gelingt es, dass wir einen Tisch spontan wieder vergeben können. Wir haben auch eine Warteliste eingeführt, die wir dann abtelefonieren. Aber abends ist es sehr schwierig. Gut wäre, wenn wir bis am Mittag eine Abmeldung erhalten. Das ist auch eine Frage des Respekts. Wir geben uns grosse Mühe, jedem Gast etwas «Geiles» zu servieren, und dann kommt er einfach nicht … Es gab schon Momente, in denen ich mich fragte: Was mache ich falsch? Bei jedem Arzt zahlt man, wenn man den Termin verpasst.

Was passiert mit den Speisen, die nicht serviert werden können? 
Den grossen Teil essen wir selber. Das sind Lebensmittel, die wir bestellt und bezahlt haben. Die wirft man nicht weg.

Sie haben mit dem «Paradies» sogar noch ein zweites Restaurant eröffnet. Wie organisieren Sie sich?
Operativ bin ich regelmässig dort, um mit dem Küchenchef die neue Karte zu schreiben. Wir sind auch dort gut unterwegs. Das «Paradies» soll ein Haus für alle sein. Wir haben den Kubus für Weinliebhaber, eine Cigar-Lounge für die Raucher, und die Bar ist eher hip und fancy – sowas habe ich in Baden immer ein wenig vermisst. Die Bar ist für mich eine Herzensangelegenheit, seit ich die Barkeeperschule in Barcelona besucht habe.

Was hat sich im letzten Jahr noch verändert bei Ihnen?
Wir haben im «Grossen Alexander» Anfang Jahr von der Fünf- auf eine Viertagewoche gewechselt und arbeiten von Mittwoch bis Samstag jeweils 10,5 Stunden, das gibt auch ein 100-Prozent-Pensum. So habe ich den Kopf einen Tag länger frei für kreative Prozesse, und es ist einfacher, gute Mitarbeitende zu finden. Das war eine der besten Entscheidungen, die ich treffen konnte!

Blicken wir voraus ins Jahr 2023 mit der Badenfahrt als Highlight. Was planen Sie für diese zehn ­Tage?
Da sind wir natürlich auch dabei! Wir sind dran, mit dem «Grossen Alexander», dem «Paradies» und eventuell noch dem «Promi» etwas gemeinsam zu stemmen. Das ist aber noch nicht spruchreif.