Verschwendung für den besten Flötenton

Das titelgebende Stück des Neujahrskonzerts ist eine Hommage ans Wasserschloss. Wasser inspiriert auch den Gebenstorfer Solisten.
Simon Lakner und Konzertmusikerin Caroline Werba-Spicher beim Einstudieren des Chaminade-Konzertstücks. (Bild:cd)

Im Schulhaus Brühl in Gebenstorf ist an diesem Winterabend nur ein einziges Fenster erleuchtet. Es ist das Musikzimmer, in dem der Kantischüler Simon Lakner (18) gerade mit seiner Flötenlehrerin die letzte Stunde vor dem Auftritt am Neujahrskonzert abhält. Mit Cécile Chaminades Concertino in D-Dur tritt Lakner im Solowerk für Querflöte und Orchester an zwei Konzertabenden vor das Blasorchester Gebenstorf (BOG). Das Neujahrsprogramm 2023 präsentiert eine musikalische Melange aus bewährten Klassikern und neueren Werken. «Between the two rivers» von Philip Sparke (geb. 1958) bildet darin mit seinen Variationen der Bachkantate «Ein’ feste Burg ist unser Gott» das konzerttitelgebende Herzstück.

Anspruchsvolle Flötenliteratur
Die französische Komponistin Cécile Chaminade (1857–1944) hat grosse und anspruchsvolle Werke geschrieben. «Es gibt viele Stücke von ihr, die nicht aufgeführt werden», sagt Lakners Flötenlehrerin Caroline Werba-Spicher. Damit ergehe es Chaminades Œuvre wie jenen vieler anderer Komponistinnen. «Es gibt einige Frauen, die komponierten, aber noch immer werden nur wenige dieser Schöpfungen aufgeführt», so Werba-Spicher.

Mit ihrem Concertino hat Chaminade ein Werk geschaffen, das in der Flötenliteratur bekannt ist und als schwierig zu spielen gilt. «Es heisst, Chaminade habe dieses Concertino einem verflossenen Liebhaber und Flötisten gewidmet und es absichtlich so diffizil komponiert, dass es kaum zu spielen war», erzählt die Flötenlehrerin. Es sei nicht umsonst ein Concours-Stück in Paris gewesen, ergänzt Werba-Spicher die Hintergründe zum Werk. Die Berufsmusikerin, die im City Light Symphony Orchestra Luzern engagiert ist, weiss genau, wovon sie spricht.  Sie hat das Concertino in D-Dur vor Jahren selbst als Soloflötistin einstudiert und mit verschiedenen Orchestern aufgeführt. Am Konzert sass damals ihr späterer Flötenschüler Simon Lakner im Publikum. «Das Werk gefiel mir sehr», erinnert sich Lakner. Besonders hatten es ihm die Virtuosität und die lebendigen Melodielinien angetan. «Und der Schluss nach dem schnellen Mittelteil mit den rapiden Läufen ist einfach gigantisch», sagt der 18-Jährige über das romantische Musikstück.

Jahre später werden die Positionen vertauscht, ein Kreis schliesst sich. Dann sitzt Lakners Musiklehrerin im Publikum und wird ihrem Studenten zuhören.

Die Flöte spielt die erste Geige
Simon Lakner kommt aus einer musikalischen Familie. Seine Mutter und seine vier Brüder spielen alle mindestens zwei Instrumente. Zum Querflötenspiel kam Lakner als 9-Jähriger. Drei Jahre zuvor hatte er bereits mit dem Unterricht auf der Geige begonnen. Dem Streichinstrument ist er bis heute treu geblieben und erhielt sowohl für die Violine als auch für die Querflöte die Begabtenförderung des Kantons Aargau. Als Musiker ist der Kantonsschüler in zwei Orchestern aktiv: Im Blasorchester Gebenstorf (BOG) und im Siggenthaler Jugendorchester (SJO). «Als Flötist spielt man im klassischen Sinfonieorchester oft Stellen, die sich abheben, aber in einem Solokonzert ist jeder Ton exponiert», ordnet Lakner seine ersten musikalischen Erfahrungen als Solist ein.

Seit sechs Monaten studiert der Gebenstorfer nun mit seiner Lehrerin das Stück für Flöte und Orchester ein und verleiht seiner Interpretation den letzten Schliff. Es werden Zäsuren, Crescendi und die geeigneten Stellen, in denen man Luft holen kann, diskutiert. «Querflöte benötigt von allen Blech- und Holzblasinstrumenten am meisten Atemluft», erklärt Werba-Spicher. Selbst die verschlungene Tuba brauche weniger Einblasluft. «Wir Querflötisten verschwenden fast alles für den perfekten Ton», lacht die Profimusikerin. Man hauche die Luft beim Querflötenspielen nämlich nur über das Mundstück. «Das Blasorchester hat ein ordentliches Tonvolumen, da darf die Solostimme nicht untergehen», rät die 36-Jährige ihrem Studenten für die Auftritte mit dem Blasorchester Gebenstorf, mit dem es insgesamt fünf Proben gibt.

Wasserbilder vor Augen
Das romantische Thema wecke in ihm Bilder einer Flusslandschaft, erzählt Lakner. Diese habe er beim Musizieren vor Augen – unabhängig vom Konzerttitel entstanden, fügen sie sich ins musikalische Gesamtthema ein, das eine Hommage an Lakners Heimat ist.

Wenn Dirigent Joachim Pfläging, der beim BOG am Pult steht, den Taktstock hebt und das Neujahrskonzert den musikalischen Auftakt ins neue Jahr bildet, wird gewiss vieles ins Fliessen und in Bewegung kommen: Unter anderem stehen die «Armenischen Tänze» von Alfred Reed (1921_2005) und «Lux Perpetua» von Frank Ticheli (geb. 1958) auf dem Konzertprogramm. Es klingt nach einem schwungvollen Jahresbeginn.

Sonntag, 1. und 8. Januar, 17 Uhr
Mehrzweckhalle Brühl, Gebenstorf
bogebenstorf.ch