Wermutstropfen Fachkräftemangel

Einfach wird das Jahr 2023 nicht. Befragte kleine und mittlere Unternehmen aus der Region schauen aber dennoch positiv in die Zukunft.
Gegründet 1861, war die Badener E. Ledergerber u. Co AG laut Firmengeschichte «einer der ersten Modeanbieter der Schweiz, der sein Sortiment auf eine klare Stilwelt ausrichtete». (Bild: bkr)

Wie haben Unternehmerinnen und Unternehmer in den Gemeinden Baden, Ennetbaden, Fislisbach und Wettingen das Wirtschaftsjahr 2022 erlebt? Was erwarten sie von 2023? Die grossen, börsenkotierten Firmen – sie sind in Baden zu finden – sind mit ihren Zahlen und Einschätzungen regelmässig in den Wirtschaftsnachrichten präsent. So die ABB, die derzeit massiv in Ennetturgi (Gemeinde Untersiggenthal) investiert und letztes Jahr den Bereich Turbocharging unter dem Namen Accelleron als eigenständige Firma an die Börse gebracht hat. Zur Zukunft von Accelleron und deren 900 Beschäftigten sagte CEO Daniel Bischofberger Mitte Dezember: «Wir gehen davon aus, dass unser Markt in den nächsten fünf bis sieben Jahren 1 bis 2 Prozent wächst – wir wollen doppelt so schnell wachsen.»

8000 Stellen in Wettingen
Insgesamt sind in Baden mit seinen 19 600 Einwohnerinnen und Einwohnern 2600 Unternehmen mit 29 500 Beschäftigten ansässig – das sind 60 Prozent der Arbeitsplätze in der ganzen Region. Im Vergleich hat Wettingen mit seiner 21 000 Köpfe zählenden Wohnbevölkerung rund 8000 Stellen zu bieten – vorwiegend in kleinen und mittleren Handels-, Gewerbe- und Industriebetrieben. 9000 Wettingerinnen und Wettinger pendeln nach Baden oder Zürich zur Arbeit. Eines der im grössten Aargauer Dorf ansässigen KMU ist das Bauunternehmen Bürgler AG, das zur Hächler-Gruppe gehört. Letztere deckt mit ihren Unternehmungen grosse Bereiche des Hoch- und Tiefbaus ab. Die über hundertjährige Firma Bürgler ist in diesem Kontext für das Thema Modernisierung zuständig und führt mit rund 25 Angestellten Umbau- und Renovationsarbeiten, Restaurierungen von Mauerwerken und Fassadenbau aus. Mit den Zahlen des verflossenen Jahres ist Geschäftsführer Beat Brunner zufrieden und rechnet damit, dass sich die Baukonjunktur 2023 fortsetzt: «Ich bin da optimistisch».

Stilwelt in Baden
Zurück in die Stadt Baden und zu ihrer Wirtschaft. Ein KMU mit Tradition ist die E. Ledergerber u. Co AG, wie das bekannte Modeunternehmen offiziell heisst. Gegründet 1861, war Ledergerber laut Firmengeschichte «einer der ersten Modeanbieter der Schweiz, der sein Sortiment auf eine klare Stilwelt ausrichtete – und damit neue Wege beging». Susan Haller ist für das Marketing zuständig. Zu 2022 sagt sie: «Wir sind mit dem Geschäftsjahr zufrieden. In Anbetracht auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Unsicherheiten geht unsere Kundschaft mit ihren Finanzen vorsichtiger und bewusster um, ist aber bereit, immer noch in gute Qualität zu investieren.» Und 2023? «Wir geniessen sehr wertvolle Kundenbindungen, welche uns zuversichtlich ins nächste Jahr gehen lassen.» Beschäftigt sind bei Ledergerber rund fünfzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – zudem werden pro Jahr zwei Lernende im Detailhandel ausgebildet und wird eine Lehrstelle im Kaufmännischen angeboten. Dies dämpft für Ledergerber das Problem des Fachkräftemangels etwas ab. Haller: «Durch das Ausbilden von Lernenden im Detailhandel können wir glücklicherweise unsere Vakanzen oft aus den eigenen Reihen besetzen. Das ist für uns sehr schön und bietet auch den jungen Leuten eine Perspektive und Sicherheit.»

Engineering in Ennetbaden
Der Steuerertrag der Gemeinde Ennetbaden ist breit abgestützt – grosse Unternehmen und damit Klumpenrisiken für die Gemeindekasse gibt es nicht. Eine Vertreterin der ansässigen KMU ist die MIAG Engineering GmbH. Sie ist auf dem Oederlin-Areal domiziliert. Die frühere Armaturenfabrik war zwar in Reiden und somit in Obersiggenthal beheimatet – die Grenze zu Ennetbaden verläuft jedoch durch die Liegenschaft, was der MIAG eine Adresse in der Bädergemeinde beschert hat. Zur Tätigkeit der Firma, welche zehn Personen beschäftigt: «Unser Leistungsspektrum im Bereich Engineering umfasst die komplette Bandbreite von der ersten Idee über die Entwicklung von Machbarkeitsstudien bis zur Konstruktion, Fertigung und Montage von neuen – konventionellen oder nuklearen – Anlagen zur Energiegewinnung.» Über grosses Know-how verfügt die Firma zudem im Bereich der Schweisstechnik, für welchen Schulungen, aber auch Qualitätssicherung angeboten werden. Ingmar Borchardt, Geschäftsführer der MIAG, ist mit dem verflossenen Jahr «ganz zufrieden», und für 2023 bezeichnet er die Nachfrage als gut.

Fachkräftemangel im Gastgewerbe
In der 5700-Seelen-Gemeinde Fislisbach hat Gemeindeschreiber Donat Blunschi eine Auslegeordnung zu den rund 1400 Arbeitsplätzen gemacht. Laut dieser sind punkto Stellen die Institutionen Alterszentrum am Buechberg AG und die Spitex Heitersberg Spitzenreiterinnen, gefolgt von fünf Unternehmungen sowie der Gemeinde mit je 50 bis 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gegen 50 Personen beschäftigt der Gasthof Linde mit seinem Hotelbetrieb und Restaurant. Seit 1887 empfängt und bewirtet hier die Familie Schibli – nun in fünfter Generation – ihre Gäste. Isabelle Utiger-Schibli, mitverantwortlich für Service und Hotel, sagt, dass die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns auch für die «Linde» eine schwierige Zeit war. Man schaue nun aber sehr positiv in die Zukunft. Allerdings gibt es einen grossen Wermutstropfen im Freudenbecher: den Fachkräftemangel. «Speziell für den Service ist es schwierig, ausgebildete Leute zu finden», sagt Utiger.