Ein Leben mit Gutenbergs Kunst

Er hat die Produkte der Effingermedien AG stark mitgeprägt: Nun ist der Typograf und Buchgestalter Paul Bieger 92-jährig gestorben.
War ein kreativer und feinsinniger Mensch: Paul Bieger (1931–2023). (Bild: hpw)

Er war ein feinsinniger, kreativer Mensch, ein Freund der leiseren Töne – und zu bescheiden, um seine Leistungen an die grosse Glocke zu hängen. Aber ohne Paul Bieger gäbe es beispielsweise die 133 Jahre alten «Brugger Neujahrsblätter» – die älteste periodische Publikation in unserer Region – wahrscheinlich nicht mehr. Er hatte auch Anteil an zahlreichen Veröffentlichungen über Aargauer Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Maler und Musiker wie Paul Haller, Sophie Haemmerli-Marti, Josef Villiger, Silja Walter, Erika Burkart, Georg Gisi, Jannis Zinniker, Klaus Merz, Verena Haller, Kurt Hediger, Egon Schwarb. Mit einigen von ihnen war er freundschaftlich verbunden.

Ein Jünger Gutenbergs
Paul Bieger, der 1931 zur Welt kam und mit vier Geschwistern im Windischer Reutenen-Quartier aufwuchs, lernte am Ende des Zweiten Weltkriegs in der Druckerei Effingerhof Schriftsetzer – jenen schönen, geistvoll-handwerklichen Beruf, den Johannes Gutenberg um 1440 in Mainz mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und den beweglichen Lettern schuf und der sich sehr lang kaum veränderte, bis der Bleisatz im 20. Jahrhundert innert einer Berufsgeneration vom Foto- und Computersatz weggefegt wurde.

Fast vierzig Jahre hielt Paul Bieger seinem Lehrbetrieb die Treue, abgesehen von einem Abstecher in den Walter-Verlag, Olten, und dem Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich. Im Effingerhof stieg er vom ehemaligen Setzerstift ins Kader auf. Er war an der Bearbeitung aller wichtigen Druckerzeugnisse des Hauses beteiligt. Dazu gehörten neben Zeitungen und Büchern komplexe technisch-wissenschaftliche Publikationen und grosse Periodika, wie das Zürcher Adressbuch, das Schweizerische Ragionenbuch und der Offiziers-Etat der Armee – ein der Geheimhaltung unterstelltes Werk, dessen Druckvorlagen sicherheitshalber immer in einem Stahlschrank verschlossen wurden.

Nachhaltige Spuren hinterliess Paul Bieger bei den «Brugger Neujahrsblättern». Er koordinierte den Eingang der Autorenbeiträge, den Satz und Druck, verfasste mit akribischer Umsicht die Jahreschronik und überbrückte die ungewisse Weiterexistenz nach dem Tod des langjährigen Alleinverantwortlichen Viktor Fricker bis zur Bildung der Redaktionskommission. Im vorgerückten Alter fühlte er sich in der von der IT-Revolution stark geforderten Traditionsdruckerei nicht mehr verstanden und wechselte für die letzten zehn Jahre bis zur Pensionierung in die Druckerei Buag mit dem Baden-Verlag.

Erfolgreicher Buchgestalter
In der Bücherwelt blühte er wieder auf. Er gestaltete zum Beispiel den phantastischen Bilderband «Mirage IIIS» der Schweizer Luftwaffe, den die englische Fachzeitschrift «Aircraft Illustrated» 2004 zum «Buch des Jahres» krönte. Oder den Band «Die Stimme, die durch Beton ging», der zur Auflösung der Abteilung Presse und Funkspruch (APF) des Bundesrats erschien. Paul Bieger gehörte während des Kalten Kriegs selber der APF an. Sie verfügte für den Fall der Fälle – wenn zivile Informationskanäle lahmgelegt worden wären – über komplette unterirdische und mobile Druckereien, Nachrichtenzentralen, Radio- und Fernsehstudios sowie geheime Sender.

Viele bibliophile Bücher tragen Paul Biegers Handschrift, so der Band «Das bringt kein Brod ins Haus» über Augustin Kellers Erziehungslehre zum 150-jährigen Bestehen des Lehrerseminars Wettingen, oder die «Aphorismen»-Sammlungen von Georg Gisi und Charles Tschopp. Zudem würdigte er als Mitherausgeber der Bände «Ebigs Für», «So dunkelschwarzi Auge» und «Ifäll und Usfäll» das Wirken der drei literarischen aargauischen Urgesteine Sophie Haemmerli-Marti, Paul Haller und Josef Villiger. Auch mehreren Ortsgeschichten aus der Region Brugg hat er ästhetischen Glanz verliehen. Die Leidenschaft für die Kunst Gutenbergs begleitete Paul Bieger über die Pensionierung hinaus, indem er sich an der Einrichtung einer originalgetreuen Setzerei im Garnhaus der ehemaligen Stroppel-Spinnerei beteiligte und sein Umfeld immer mit gepflegten Neujahrskarten in alter Handsatzmanier erfreute. Seine Kreativität brachte er auch in eine Bözberger Laien-Steinmetzgruppe mit beachtlichem Können ein. Der dritte Lebensabschnitt war aber von gesundheitlichen Sorgen begleitet. Am Dreikönigstag entschlief er. Er hinterlässt seine Gattin Elisabeth sowie die Töchter Brigitt, Doris und Silvia mit ihren Familien.