«Wir haben gerade erst angefangen»

Die katholische Kirche in Gebenstorf-Turgi hat stürmische Zeiten erlebt. Der neue Pfarrer Markus Brun möchte die Gläubigen wieder einen.
Pfarrer Markus Brun wertet die positive Grundstimmung in seiner Pfarrei als zukunftsweisend. (Bild: zVg | José R. Martinez)

Als am vergangenen Sonntag die Glocken der Kirche Gebenstorf-Turgi zum Gottesdienst riefen, fanden sich rund dreissig Gläubige ein und nahmen in den Bankreihen Platz. Beat Reichlin, der neue Kaplan, las die heilige Messe und feierte mit den Anwesenden die Eucharistie. Am Ende des Gottesdienstes verabschiedete Reichlin die Kirchenbesucher mit Namen und wusste mit vielen ein kurzes freundliches Gespräch zu führen.

Der Priester arbeitet Seite an Seite mit dem neuen Pfarrer Markus Brun. Gemeinsam betreuen sie seit 7. Januar seelsorgerisch die drei Kirchgemeinden in Gebenstorf, Turgi und Birmenstorf und leiten abwechselnd die Gottesdienste. «Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, aber wir befinden uns noch in der Austarierung, was Koordination und Organisation betrifft», berichtet Brun über den Aufbauprozess bei seiner Arbeit. Vorgesehen sei, dass Reichlin sich mehrheitlich um Birmenstorf und er selbst sich um Gebenstorf kümmern werde, erzählt Brun. «Und da wir beide in Turgi wohnen, sind wir an allen Orten präsent», so der Pfarrer.

Begegnungen im Mittelpunkt
Mit Markus Brun und Beat Reichlin haben die Gläubigen zwei neue Seelsorger erhalten, die sich ein volks­nahes Miteinander zum Ziel gesetzt haben. Beide nähmen sich die Zeit, den Leuten zu begegnen, denn der direkte Kontakt sei elementar wichtig, betont Brun. Gerade was die Begegnungen mit der Glaubensgemeinde betreffe, spüre er ein grosses Defizit, hält Brun fest, der sein Büro in Gebenstorf hat. «Ich erlebe viel Dankbarkeit während der Gespräche», erzählt der Pfarrer, der am letzten Dienstag zum ersten Mal an einem Werktag in Birmenstorf predigte. Mit der Kirchgemeinde Birmenstorf finde zur Zeit wieder eine Annährung statt. «Ein neuer Vertrag liegt nun vor», gibt Markus Brun bekannt. Die Kirchgemeinde war Ende 2022 aus dem Seelsorgeverbund ausgeschert und hatte den Vertrag aufgekündigt. Grund dafür waren die Querelen um Pater Adam.

Dankbarkeit für ein neues und gutes Arbeitsklima werde ihm und Reichlin auch seitens der Mitarbeitenden in allen drei Pfarreien gezeigt, berichtet Brun, als er über die Etappen in seiner Aufbauarbeit spricht. «Was die Stimmung in den Gottesdiensten betrifft, ist gegenüber Birmenstorf in Turgi und Gebenstorf noch eine gewisse Zurückhaltung vorhanden», hat Brun festgestellt. «Die Distanz ist spürbar. Das Vertrauensverhältnis muss erst noch aufgebaut werden.» Obwohl noch verhalten, sei die positive Grundstimmung darüber, dass es einen Neuanfang gebe, da. «Das sind schöne, gute Zeichen», hält Markus Brun fest.

Mit allem gerechnet
Brun, dem gemeinsam mit Beat Reichlin im Januar die bischöfliche Beauftragung überreicht wurde, habe beim Antritt mit allem gerechnet, wie er erzählt. Von den Konflikten mit dem umstrittenen Pater Adam Serafin und Daniel Ric, dem ehemaligen Präsidenten der Kirchenpflege, erfuhr Brun aus den Medien. Das Kirchenportal «kath.ch» hatte den 56-Jährigen als «Troubleshooter» bezeichnet, als öffentlich kommuniziert wurde, dass er das Pfarramt in Gebenstorf-Turgi übernehmen werde.

Vergangenheitsbewältigung
Pfarrer Brun gibt zu, dass er mit dem Eintritt in die konfliktuöse Ausgangslage ein Risiko eingegangen sei, nachdem er von der Diözese Basel gebeten worden war, die Nachfolge von Pater Adam Serafin anzutreten. «Das Donnergrollen ist von fern noch zu hören», so Brun, und die Schwierigkeiten seien noch nicht ausgestanden. Er verweist damit auch auf die immer noch laufenden Rechtsverfahren. Am 26. Mai findet erneut eine ausserordentliche Kirchengemeindeversammlung statt, anlässlich welcher den Stimmberechtigten der neue Vertrag mit Birmenstorf vorgelegt wird.

Ausserordentlich ist die Versammlung, weil in der Vergangenheit Zahlungen getätigt wurden, mit denen die Stimmberechtigten nicht einverstanden waren. Es sei bereits das dritte Mal in drei Jahren, dass eine Rechnung abgelehnt wurde, was wohl einzigartig in einer Kirchgemeinde sei, sagte Kirchgemeindepräsident Andreas Zillig kürzlich gegenüber dem «Badener Tagblatt».

Warten auf Räumlichkeiten
Die Schwierigkeiten aus der Vergangenheit strahlen unter anderem auch deshalb noch immer in die Gegenwart, weil die Räumlichkeiten in Birmenstorf nicht zur Verfügung stehen, bis die laufenden Gerichtsverfahren beendet sind. «Die Konflikte aus der Vergangenheit haben noch Auswirkungen, und die Konsequenzen müssen wir mittragen», kommentiert Brun die Situation. «Doch alles ist lösbar», zeigt sich der Pfarrer optimistisch. Er kümmere sich um die Seelsorge – «die Gerichtsverfahren müssen andere lösen», sagt Brun, der in Basel schon grössere Gemeinden betreut hat und dank seinen 28 Jahren als Priester auf eine grosse Erfahrung zählen kann.

Die Kraft der Integration
Seine Erfahrung komme ihm auch bei der Einordnung und Handhabe der neuen Situation zugute. Er hat Verständnis für die ermüdeten Gläubigen: «Es braucht Kraft, von einem Ort zum nächsten zu gehen, um sich in einer Kirchgemeinde zugehörig zu fühlen.» Unter der Konfliktsituation und der Trennung hätten alle gelitten, das spüre man bis heute. «Die Gottesdienstbesucher fühlten sich nicht mehr berücksichtigt», bedauert der Seelsorger. Markus Brun legt deshalb besondere Aufmerksamkeit darauf, die Gemeinde wieder zusammenzuführen und insbesondere Zugezogene und Gemeindeangehörige mit Migrationshintergrund zu integrieren. «Vierzig Prozent der Angehörigen der katholischen Gemeinde stammen aus Spanien, Portugal, Italien und östlichen Ländern», weiss der Seelsorger. Brun, selbst auch Organist und Pianist, trifft mit seiner positiven Haltung den richtigen Ton, was die Zukunftsmusik für die drei Gemeinden im Wasserschloss anbelangt.