Raum zur Entfaltung

Eine gewöhnliche Zvieri-Pause an der Heilpädagogischen Schule (HPS) Wettingen: Die Schulkinder spielen Ball oder sind am Schaukeln. Schulleiter Rainer Kirchhofer bemerkt: «Die Atmosphäre hier fördert das Lernen», und führt über den Pausenplatz sowie durch die Räumlichkeiten der Schule. Auch die Hühner Kira und Laika haben hier ein Zuhause gefunden. Die Arbeit mit den Tieren vom Sozzi-Hof gehört zum pädagogischen Konzept. Und: Sie sind wertvolle Eierlieferantinnen. Die HPS ist komplett auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abgestimmt. So gibt es für die Kinder mit kognitiven und/oder körperlichen Beeinträchtigungen vielfältige Angebote. Im Werkraum trocknen gerade die Tonerzeugnisse der Kinder. Hinter einer weiteren Zimmertür trifft man auf den Ergotherapeuten Damian Wannenmacher: Die Schulkinder kämen einzeln hierher, um ihre Feinmotorik zu verbessern oder um mehr Selbstständigkeit im Alltag zu erlangen. Der Rundgang führt vorbei am Mittagstisch, der im Handumdrehen zu einem Chorraum umgestellt werden kann. Insgesamt also eine wunderbare Schule?

Optimale Betreuung für Kinder
Das kann der Schulleiter aus eigener Erfahrung bekräftigen. Seit sieben Jahren ist Kirchhofer Teil der Schulleitung der HPS. Er blickt auf sechzehn Jahre Führungserfahrung zurück. Und dennoch: Für manche Eltern sei es ein Schock, wenn sie vor der Einschulung ihres Kindes an die HPS verwiesen würden. «Dann kann es vorkommen, dass in meinem Büro Tränen fliessen», so Kirchhofer. Dann es geht darum, Enttäuschungen aufzufangen und positives Denken zu vermitteln, denn die Kinder sind an der HPS gut aufgehoben. Individuelle Förderung von kognitiv beeinträchtigten Kindern in der Regelschule sei ein wichtiges Anliegen. Kirchhofer setzt sich jedoch dafür ein, dass der HPS ebenso viel Anerkennung entgegengebracht wird wie der Regelschule. An der HPS steht auch die optimale Förderung der Kinder im Zentrum, und das Fachpersonal aus Pädagogik und Pflege setzt sich zielgerichtet für das Wohl und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler ein. Zudem können hier andere Schwerpunkte gesetzt werden als in der Regelschule: «Für manche Kinder ist es wichtig, dass sie eine passende Therapie bekommen und sich wohlfühlen, um fürs Leben zu lernen.»

Ein Grund zum Feiern
In den letzten Jahren sieht sich die Schule vermehrt mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Der Lehrer- und Fachkräftemangel macht ihr zu schaffen. Die HPS bietet Ausbildungsplätze in der sozialen Arbeit an und versucht, der Problematik auf diese Weise zu begegnen. Immer mehr Kinder benötigen eine intensivere Betreuung und die HPS verfügt nur über eine begrenzte Anzahl Plätze.

Um für alles gewappnet zu sein, bildet die HPS deshalb kontinuierlich die Betreuungs- und Lehrpersonen weiter und arbeitet mit den Psychiatrischen Diensten Aargau sowie mit Fachhochschulen zusammen. Gerade Kinder mit Autismus sind angewiesen auf spezifische Förderung und klare Strukturen. Verschiedene Hilfsmittel unterstützen sie dabei, sich im Alltag zurechtzufinden. Beispielsweise drücken sie sich mit Piktogrammen aus, oder die Lehrperson gebraucht zusätzlich die Gebärdensprache. Nicht zuletzt gibt die HPS ihr Wissen auf diesem Gebiet weiter. Drei ihrer Mitarbeitenden beraten Regelschulen zum Thema Autismus bei Kindern.

Die Sonnenseiten von Kirchhofers Alltag an der HPS überwiegen jedoch die Schwierigkeiten: «Die Zusammenarbeit im Team und die Möglichkeit, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, machen mir Freude.» Und er investiert laufend in die Zukunft seiner Schule. Nach den Frühlingsferien klärt die Fachstelle Limita dort über das Thema «Mein Körper gehört mir» auf. Und am 17. Juni findet ein grosses Jubiläumsfest statt. Zur 60-Jahr-Feier der Schule erwartet die Gäste ein abwechslungsreiches Programm. «Hier erleben die Kinder die Schule als einen positiven Lernort», ist Kirchhofer überzeugt.