Theorie ganz nah an der Realität

Die Sanität Wettingen-Limmattal bietet neu ausgeklügelte Szenarien für Übungen und Schulungen an – eine Herausforderung für Teilnehmende.
Discostimmung in einer Bar. Tim Möckel und Anita Peter, Initiantin der Rescue-Academy, klären im neu eröffneten Simulationszentrum als Helfer ab, was einem Gast fehlt, und leiten medizinische Massnahmen ein. (Bild: bkr)

Einen Kurs in Nothilfe müssen in der Schweiz alle absolvieren, die einen Führerausweis erwerben wollen. Bei dieser Ausbildung geht es um die Vermittlung von Basiswissen – das «Atmosphärische», eine realitätsnahe Szenerie, ist noch nicht so wichtig. Anders, wenn es um die Aus- und Weiterbildung von First Respondern, Feuerwehrsanitätern, Polizistinnen und Polizisten oder gar Sanitätsausbildnerinnen und -ausbildnern geht. Ein Tisch, der ein umgestürztes Baugerüst oder einen brennenden Kochherd «supponiert», ist da fehl am Platz. Benötigt werden realistische Szenarien und sogenannte Phantome (Puppen), die den Helfenden «echten» Puls oder Blutdruck liefern, sich lebensnah beatmen lassen und teilweise bis zu achtzig Kilo schwer sind. «Realitätsnähe ist wichtig, damit die Teilnehmenden das Erlernte in einer Stresssituation üben können», sagt Christian Bassler, Präsident der Sanität Wettingen-Limmattal. So heisst der Verein, weil er zur Verfolgung seiner Ziele die Dachorganisation des Schweizerischen Samariterbunds (SSB) verlassen hat.

Crowdfunding und Fronarbeit
Die bestehenden Ausbildungsmängel haben die Vereinsmitglieder schon länger erkannt – nicht zuletzt, weil sie seit Jahren für den Sanitätsdienst der Stützpunktfeuerwehr Wettingen zuständig sind oder Einsatzkräfte für Grossanlässe wie das Kantonale Turnfest gestellt haben. Hinzu kommt, dass der Verein mit seinen fünfzig Mitgliedern ein sehr tiefes Durchschnittsalter von 37 Jahren aufweist. Und so wollte man mehr – eine Res­cue-Academy, ein Trainingszentrum schaffen.

Initiantin und Motor hinter dem Projekt war und ist Vereinsvizepräsidentin Anita Peter, Rettungssanitäterin und Instruktorin. Zusammen mit Bassler machte sie sich an die Beschaffung der nötigen finanziellen Mittel und auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten. Diese fanden sie an der Etzelstrasse 11 in Wettingen. Rund 150 000 Franken wurden investiert. 10 000 Franken konnten via Crowdfunding (Lokalhelden) beschafft werden, und ein namhafter Beitrag kam aus dem Swisslos-Fonds. «Ja», sagt Bassler, «in unserer Vereinskasse klafft ein Loch.» Das trotz viel Fronarbeit der Mitglieder. So hat der Elektrikerlehrling Tim Möckel im Rahmen einer Projektarbeit das Simulationszentrum verkabelt und «verstromt».

380 Quadratmeter Übungsfläche
Mit 380 Quadratmetern ist die grösste realitätsnahe Anlage dieser Art in der Schweiz entstanden – und letzte Woche offiziell ihrer Zweckbestimmung übergeben worden. Im Untergeschoss der Etzelstrasse 11 betritt man einen grossen Schulungsraum, bevor es ein Stockwerk tiefer in die Welt der realistischen Notfallszenarien geht. Diese beginnt auf einer Baustelle, an die ein Garten mit Grill und Motorsäge anschliesst – Unfallgefahren en masse. In einer voll eingerichteten Küche könnte man sich böse in den Finger schneiden, aber auch der Backofen könnte in Brand geraten – eine Rauchmaschine sorgt für einen täuschend echten Eindruck. Bad/WC, Kinder- und Schlafzimmer komplettieren die Wohnung. Randale an einer Bushaltestelle und eine Beiz mit Bar liefern zusätzliche Übungsszenarien.

Effekte wie Discolicht und dergleichen spielt eine Regie ein. Sie überwacht die Einsätze der Übungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und zeichnet diese mit einem ganzen Arsenal an Kameras und Mikrofonen für eine anschliessende Nachbesprechung im Schulungsraum auf.

Für das erste Betriebsjahr rechnen Anita Peter und Christian Bassler mit rund dreissig gebuchten Trainings. Das detaillierte Angebot findet sich, auch für Basiskurse, auf der Website rescue-academy.ch.