Ein Eigengewächs mit hohen Ambitionen

Jan Altstätter ist ein ­Talent des RV Ehrendingen, das an die Spitze will. Am Pfingstmontag feiert der 14-Jährige Premiere im U17-Rennen.
Junior Jan Altstätter und Senioren-Europameister Felix Widmer. (Bild: is)

Vom Haus der Familie Altstätter am Haarwiesweg bis zum Hof Frei, wo sich Start und Ziel des Pfingstrennens befinden, sind es gut 400 Meter Luftlinie. Schon als Knirps nahm Jan Altstätter am Kinderrennen mit dem Mountainbike teil. «Wir fuhren einmal um das Erdbeerfeld herum», erinnert sich der heute 14-Jährige. In den letzten Jahren startete das Radsporttalent in den Schülerkategorien und stand bei drei von vier Rennen ganz oben auf dem Podest. Dieses Jahr darf Jan Altstätter zum ersten Mal in der Kategorie U17 mitfahren, wo nicht nur die Strecke mit 49 Kilometern viel länger ist: «Dort fährt man auf der Strasse und in einem grossen Feld», erklärt er. Doch er hofft, dass er seinen Heimvorteil ausspielen kann.

Bester Querfahrer der Schweiz
Die sieben Kilometer lange Strecke via Freienwil und Lengnau zurück nach Ehrendingen kennt er wie seine Westentasche: «Sie ist ideal für kurze Trainings», erklärt der Sportler, der dreimal pro Woche nach der Schule aufs Velo steigt und ebenso am Wochenende trainiert oder an Rennen in der ganzen Schweiz teilnimmt. Seine Lieblingsdisziplin ist Radquer: Dort holte er in der Saison 2021/22 den Gesamtsieg im Schülercup (U15) und wurde von Swiss Cycling zum besten nationalen Querfahrer seiner Kategorie gekürt. Er ist zudem im Nachwuchsförderkonzept seines Verbands und Inhaber der Swiss-Olympic-Talent-Card. Diese wird an Athletinnen und Athleten vergeben, denen Potenzial für eine Sportlerkarriere bescheinigt wird. 

Da Jan Altstätter derzeit noch in vier Kategorien – Quer, Strasse, Bike und Bahn – fährt, muss er verschiedene Räder haben. Eine kostspielige Angelegenheit. Doch mit Bauer Sport Wettingen hat der junge Radrennfahrer bereits einen persönlichen Sponsor, der ihn mit Reparaturen, Renntrikots und Material unterstützt. Und Profifahrerin Noëmi Rüegg aus Oberweningen ZH habe ihm kürzlich zwei ihrer Velos geschenkt, erzählt er begeistert. Das Familienleben der Alt­stätters ist ganz auf die Agenda des älteren Sohns abgestimmt. Da die Starts oft frühmorgens sind, müssen die vier manchmal schon am Vortag anreisen und verbringen so das ganze Wochenende zusammen.

Bergauf im Vorteil: Jan Altstätter in seiner Paradedisziplin Quer. (Bild: zVg)

Kleines Familienunternehmen
«Das macht uns aber nichts aus. Wir geniessen es, mit unseren Kindern zu reisen, und sind ein kleines Familienunternehmen», sagt Mutter Sandra. Jans jüngerer Bruder Nick (11) ist ebenfalls vom Velovirus angesteckt. Vater Ivo engagiert sich im Organisationskomitee (OK) des Pfingstrennens.Das Ehrendinger Rennen ist seit 1979 fester Bestandteil des nationalen Rennkalenders. Auf der Siegerliste im Nachwuchsbereich stehen Namen wie Fabian Cancellara sowie Beat und Markus Zberg, die später erfolgreich eine Profikarriere machten. 2022 gewann – nach zwei Jahren Coronazwangspause – der Leuggermer Jan Christen (18), eines von Jan Altstätters grossen Vorbildern. «Das Pfingstrennen ist eines der wenigen in der Schweiz, bei denen der Nachwuchs seit Jahrzehnten konsequent gefördert wird», sagt OK-Mitglied Felix Widmer, seines Zeichens Dritter der Zeitfahr-WM und Strassen-Europameister 2022 bei den Senioren. Auch der 66-jährige Lengnauer war in jungen Jahren an Pfingsten am Start. «Nun müsste ich hier bei den Amateuren starten, mit den 20- und 30-Jährigen. Doch da hat ein Grossvater wie ich nichts mehr zu suchen», sagt er lachend.

Immer mehr Auflagen
Widmer engagiert sich seit vielen Jahren im Sponsoring des Pfingstrennens. Obwohl der Event von über sechzig Unternehmen aus der Region unterstützt wird, werde der Aufwand immer grösser, so Widmer: «Es gibt ständig mehr Auflagen für Organisatoren, und das ist ärgerlich.» Inzwischen muss der RV Ehrendingen rund fünfzig Streckenposten stellen, und auch die Dienstleistungen des Sama­ritervereins, der Feuerwehr, der Freunde des VC Alperose Schneisingen und des TV Ehrendingen sind wichtige Pfeiler für die Sicherheit der Rennfahrer. Da die Kantonsstrasse zwischen Ehrendingen und Freienwil für das Rennen abgesperrt wird, ist der Postautoverkehr eingeschränkt. «Als Veranstalter müssen wir den Ersatzverkehr zwischen Freienwil und Ehrendingen mit Bus und Fahrer sicherstellen», so Widmer.

Seine Motivation sind die jungen Radfahrerinnen und Radfahrer, die am Pfingstrennen ihr Können zeigen. «Und über junge Ehrendinger Talente wie Jan freuen wir uns im Radfahrerverein natürlich besonders.» Mit seiner Postur – 1,64 Meter und 45 Kilogramm – sei Jan im Vorteil bei Steigungen, ist Widmer überzeugt.

Pfeiffersches Drüsenfieber
Körperlich ist der 14-Jährige nach einer hartnäckigen Viruserkrankung allerdings noch nicht in Bestform: Das Pfeiffersche Drüsenfieber – ein typisches Teenagerleiden – hat ihn Anfang Jahr ausser Gefecht gesetzt. Da er keine Symptome wie geschwollene Mandeln zeigte, wurde es lang nicht entdeckt, und er fuhr trotzdem Rennen – was nicht ideal war. Drei Monate lang musste er kürzertreten. «Mittlerweile bin ich aber wieder bei etwa neunzig Prozent», sagt er. Dass seine Formkurve nach oben zeigt, hat er beim Auffahrtsrennen in Diessen­hofen (TG) mit einem fünften Rang ­als zweitbester Schweizer bestätigt.

Seine grossen Ziele hat der Teenager durch diesen Rückschlag nicht aus den Augen verloren: «Schweizer Meister im Quer und irgendwann eine Etappe der Tour de France gewinnen!» Dafür nimmt Jan Altstätter viele Entbehrungen in Kauf. Wenn er am Montag gegen 10 Uhr nach sieben Runden ausgepowert die Ziellinie beim Hof Frei überquert, wachen die meisten seiner Freunde gerade erst auf.

Pfingstmontag, 29. Mai, ab 8.45 Uhr
Start/Ziel mit Festwirtschaft: Hof Frei, Freienwilerstrasse 16, Ehrendingen
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