Es brennt bei der Feuerwehr

Das Ausscheiden von Kommandant Marcel Gerny aus der Feuerwehr hat weitere Rücktritte ausgelöst. Die Nachfolge will niemand antreten. Warum?
Die Feuerwehr Neuenhof mit Fahrzeugpark ist an der Limmatstrasse 21 beheimatet. (Bild: is)

Per 31. März 2023 trat Marcel Gerny aus der Feuerwehr Neuenhof aus. Als Begründung gab der scheidende Kommandant, der erst im September 2020 gewählt worden war, sein Nachrücken in den Grossen Rat des Kantons Aargau an. Zudem ist Gerny kürzlich zum ersten Mal Vater geworden. Gemeindeammann Martin Uebelhart zeigte sich damals zuversichtlich, dass die Nachfolge bald geregelt werden könne. Zwei Monate später steht die Neuenhofer Feuerwehr jedoch noch immer ohne Kommandant da. Schlimmer noch: Mehrere Feuerwehrmänner haben gegenüber der «Rundschau» bestätigt, dass das Verhältnis zwischen der Gemeinde und der Feuerwehr stark belastet sei. 4 von 13 Offizieren sind inzwischen ebenfalls ausgetreten – der Chef Atemschutz, Berat Rexhepi, und sein Stellvertreter René Zimmermann, der Chef Maschinisten, Matthias Voser, sowie der Stv. Chef ­Pikett 1, Sven Schulze.

Petition an den Gemeinderat
Marcel Gerny wollte sich auf Anfrage nicht zu den Ereignissen äussern. Gegenüber der «Rundschau» bestätigt jedoch Sven Schulze, dass sein Rücktritt unmittelbar mit dem Ausscheiden von Marcel Gerny zu tun habe. Der Grund: Bereits am 6. März haben sich 23 Kadermitglieder der Feuerwehr – das entspricht rund 80 Prozent – mit einer Petition an den ­Gemeinderat und die «Findungskom­mission Feuerwehrkommandant» gewandt. Darin schreiben sie zum Rücktritt von Gerny: «Dieser Entscheid löst bei uns viele Fragen aus, und wir bedauern, dass der auf breiter Front beliebte Kommandant dieses Amt abgibt.» Deshalb baten die Kaderleute die Gemeinde «eindringlich, noch einmal mit unserem jetzigen Kommandanten das Gespräch zu suchen». Man fürchte derzeit den Worst Case einer Feuerwehr, die in einer Übergangsfrist keinen Kommandanten mehr besitze oder dass einer gewählt werden müsse, der das Anforderungsprofil nach den Richtlinien des Kantonalverbands AGV nicht erfüllen könne, so die Petition.

Die Antwort des Gemeinderats fiel aus Sicht der Kadermitglieder ernüchternd aus. Gernys Motive für seinen Rücktritt seien «mit grosser Achtung anzuerkennen». Nachdem die Feuerwehr Neuenhof 2022 bei einer AGV-­Inspektion eine sehr gute Bewertung erhalten habe, sei der Gemeinderat davon überzeugt, dass sich «die Funktionstüchtigkeit einer Feuerwehr nicht nur aus einem guten Kommando, sondern auch aus dem Geist der Mannschaft» ergebe. Die Petition wurde zur Kenntnis genommen und verdankt. «Diese Reaktion des Gemeinderats war so enttäuschend, dass ich aus der Feuerwehr ausgetreten bin», sagt Sven Schulze, der 16 Jahre lang Angehöriger der Feuerwehr (AdF) war.

Korporal Urs Käufeler, der Ende April ebenfalls ausgetreten ist, sagt: «Die Rücktritte der langjährigen, engagierten Offiziere hätten für die Gemeinde ein Alarmsignal sein sollen.» Auch in benachbarten Feuerwehrkorps seien die Vorkommnisse in Neuenhof mittlerweile Gesprächsthema.

Bis jetzt ist nichts davon an die Öffentlichkeit gedrungen. Urs Käufeler, der noch Mitglied bei der Feuerwehr Wettingen ist, spricht Klartext: «Dass man für den beliebten Posten des Kommandanten keine Lösung findet, liegt an der Führung im Gemeinderat.» Brisant: Die zuständige Ressortleiterin, Vizeammann Petra Kuster Gerny, ist Marcel Gernys Stiefmutter.

«Ein Führungsproblem»
Nach einer (nicht angemeldeten) Alarmübung im Juni 2022, bei der wenige Einsatzkräfte einrückten, soll Kuster vor die versammelte Mannschaft getreten sein und ihrem Unmut Luft gemacht haben. Dabei habe sie mehrmals von einem «Führungsproblem» gesprochen – während Marcel Gerny danebenstand. «Damit hat sie die Autorität des Kommandanten komplett untergraben», sind sich Augenzeugen sicher. Und Sven Schulze bestätigt: «Nach dieser Ansprache war die Motivation bei uns allen im Keller.»

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Doppelrolle des ehemaligen Feuerwehr-Kommandanten Daniel Burger. Dieser wurde per 2021 in den Gemeinderat gewählt und trat damals zwar von seiner Funktion als Kommandant zurück, allerdings blieb er – das ist unüblich – in der Feuerwehr. Für Unmut hatten bei Urs Käufeler zudem die Vorkommnisse rund um den Kauf einer 58 Jahre alten Drehleiter (ADL) gesorgt, die er der Gemeinde Ende 2021 für 500 Franken abgekauft hatte. «Auf einmal hiess es, ich müsse das Auto zurückgeben, der Kauf sei nicht rechtens», so Käufeler, der das Fahrzeug restaurieren und für Feuerwehrfeste nutzen wollte. Erst nach mehrmaliger Aufforderung kaufte die Gemeinde das Auto zurück. «Einige Jahre zuvor hatte Daniel Burger mit demselben Vertrag ein Auto und weitere Gegenstände im Namen der Gemeinde an andere verkauft – und da wurde nichts moniert», so Käufeler. Seine Hinweise habe die Gemeinde ignoriert.

Der Gemeinderat Neuenhof hat zu den meisten Fragen der «Rundschau» keine Stellung genommen. «Die Besetzung des Kommandanten ist ein laufender Prozess, der im Moment noch nicht abgeschlossen ist», teilte Gemeindeammann Martin Uebelhart lediglich mit. Bis der Posten neu besetzt ist, haben ad interim der bisherige Vize Johannes Santner und Ausbildungschef Thomas Schweizer die Führung übernommen. Die übrigen Schlüsselpositionen seien inzwischen grossmehrheitlich wieder besetzt, so Uebelhart. «Der Gemeinderat kann bestätigen, dass die Feuerwehr Neuenhof den Schutz der Bevölkerung jederzeit gewährleisten kann. Das hat sie erst kürzlich bei einem Wohnungsbrand am 4. Mai bewiesen.»