Verweilen bei Erinnerungen

Wenn ein Umzug an den voraussichtlich letzten Lebensort bevorsteht, kann das ohne Unterstützung ein Kraftakt in jeder Hinsicht sein.
Ein Umzug im Alter bedeute weit mehr, als schnell einen Schrank auszuräumen, weiss Raphael Zumsteg von der Pro Senectute Aargau. (Bild: cf)

Schon als sie beim Eintritt ins Pensionsalter vom Einfamilienhaus in die Eigentumswohnung zogen, misteten Pia und Paul gründlich aus. Nun müssen sie ihr Hab und Gut nochmals reduzieren: von einer Wohnung mit viereinhalb Zimmern auf zwei Zimmer. Denn die Jahre des mobilen Alterns liegen hinter ihnen. Vor allem die zahlreichen Stürze in den letzten Wochen und Monaten sowie deren gesundheitliche Folgen hat das Ehepaar zum Wechsel in die Wohnung im Alterszentrum bewogen. Pia und Paul sind beide um die 90, kinderlos und trotz reiflicher Überlegung in Bezug auf den bevorstehenden Schritt am Anschlag. Der Umzug nagt an ihren Kräften, macht sie traurig und antriebslos. Eine Situation, die Raphael Zumsteg nicht überrascht.

Baden, Brugg und Zurzach
Zumsteg arbeitet seit fünfeinhalb Jahren bei der Pro Senectute Aargau: «All unsere Sozialberatungsteams stellen immer wieder fest, wie schwierig ein Umzug für Menschen im hohen Alter und mit kleinem sozialem Umfeld ist.» Da die Pro Senecute in anderen Kantonen gute Erfahrungen in diese Richtung gemacht hat, wurde per 1. April im Aargau beziehungsweise in den Bezirken Baden, Brugg und Zurzach das einjährige Pilotprojekt «Umzugs- und Packhilfe» gestartet. Neben seinem 60-Prozent-Pensum auf der Beratungsstelle Baden hat der 34-Jährige die Leitung der Umzugs- und Packhilfe inne.

Freiwillige schenken Zeit
«Zentrale Voraussetzung ist, dass die Auseinandersetzung mit dem Wohnformwechsel stattgefunden hat beziehungsweise eine altersgerechte Anschlusslösung vorhanden ist», erklärt Raphael Zumsteg und empfiehlt, sich frühzeitig für eine Beratung bei ihm zu melden. Gemeinsam mit dem Sozialarbeiter wird dann der Umzug geplant; er holt, falls gewünscht, Offerten von Umzugsunternehmen und Reinigungsfirmen ein und bringt die Packhilfe ins Spiel. Die Packhilfe übernehmen freiwillige Helferinnen und Helfer.

Deutlich über den Erwartungen sei das Interesse am Informations-anlass für Freiwillige Mitte Februar ausgefallen, sagt Raphael Zumsteg erfreut. Mittlerweile hat er mit sieben Personen Kennenlerngespräche geführt und sie in ihre Aufgabe eingeführt: «Es sind Frauen und Männer vom mittleren bis ins Pensionsalter. Ihre Motivation ist primär, Personen zu ermöglichen, ihre persönlichen Gegenstände sorgfältig zu packen und sich darüber austauschen zu können, was wirklich noch wichtig ist und mitgenommen werden soll.» Die Aufgabe der Packhilfe fasst der Projektleiter so zusammen: «Sie haben Zeit, um gemeinsam bei Erinnerungen zu verweilen. Jedoch muss niemand beim Einpacken seine Lebensgeschichte erzählen, wenn das nicht gewünscht ist.» Das Arrangement umfasst fünf Freiwilligeneinsätze à drei Stunden.

Auch bei schmalem Budget
Für die Umzugs- und Packhilfe verrechnet Pro Senectute eine Pauschale von 450 Franken. Nicht darin enthalten sind der eigentliche Umzug, die Entsorgung sowie die Wohnungsendreinigung. Arbeiten, die aber, wie erwähnt, nach einem individuellen Erstgespräch bei den Betreffenden zu Hause von der Pro Senectute organisiert und koordiniert werden. «Gerade Menschen, die seit Jahrzehnten nicht mehr umgezogen sind oder beispielsweise kein Internet haben, sind vermehrt auf Begleitung angewiesen.»

«Wenn wir das früher gewusst hätten», sagen Paul und Pia seufzend, als sie von einer Nachbarin von der Umzugs- und Packhilfe erfahren. Obwohl es die beiden nicht betreffe, ergänzt Raphael Zumsteg, könnten sich auch Personen melden, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, die oben erwähnte Pauschale zu bezahlen. «Pro Senectute kann unterstützen. Wir finden eine Lösung.»

Umzugs- und Packhilfe
Telefon 062 837 50 70 oder umzugshilfe@ag.prosenectute.ch