Die Landstrasse K117 in Turgi ist in einem schlechten Zustand und soll ausgebaut werden. Im November 2022 hatten die Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung einen Verpflichtungskredit für die Sanierung und den Ausbau inklusive Werkleitungen über 8,770 Millionen Franken bewilligt – den grösseren Teil der Gesamtkosten, die rund 19,5 Millionen Franken betragen, übernimmt der Kanton. Schon an jener Gmeind hatte sich Widerstand gegen die Rodungen geregt. Nach langen Diskussionen wurde der Kredit jedoch bewilligt.
Seit dem 3. Juli liegt das Projekt nun öffentlich auf – und Naturfreunde sowie umweltbewusste Anwohnerinnen und Anwohner des Gebiets Weichlen, die sich zum Verein Pro Weichlen Turgi zusammengeschlossen haben, kündigen Einwendungen gegen das kantonale Strassenprojekt an. Unterstützung erhält der Verein dabei vom Vorstand des Natur- und Vogelschutzvereins Turgi und von den kantonalen Sektionen von Birdlife, WWF und Pro Natura. Sie fordern gemeinsam eine Lösung, die dem Langsamverkehr gerecht werde und das Wäldchen in der Weichlen mit seinen kostbaren Naturwerten schone, schreiben sie in einer Medienmitteilung. Ihre Begründung: «Turgi verfügt mit dem Hangwald in der Weichlen, dem Naturschutzgebiet mit einer der wenigen nicht gefassten Quellen im Kanton und der vorgelagerten Wiese über ein Naherholungsgebiet und Kleinod, das es für die Turgemer und die Naturwerte ungeschmälert zu erhalten gilt.»
Auf Rodungen verzichten
Man werde sich gemeinsam dafür einsetzen, dass die wichtigen Anliegen des Langsamverkehrs auf dem kurzen Stück der Landstrasse, die durch den Wald führe, so gestaltet würden, dass auf Rodungen und andere Beeinträchtigungen der Naturwerte verzichtet werden könne. Die Gegner argumentieren, dass Charakterbäume wie die sehr alte Eiche sowie Totholz idealen Lebensraum für verschiedenste Waldinsekten, Amphibien, Reptilien und Wildsäugetiere bildeten. Insbesondere für Fuchs, Reh und weitere Wildtiere, die in der Weichlen lebten, sei es wichtig, dass dieses Strassenstück langsam befahren werde. Das könne mit einer blossen Belagssanierung und beispielsweise einer Ausgestaltung mit einer Kernfahrbahn realisiert werden, sagt Johannes Jenny von Pro Natura.
Bauherrschaft und Planer sehen das anders. In den Erläuterungen zu den Flächen im Rodungsgesuchsschreiben steht, dass diese Möglichkeit von der Sektion Verkehrssicherheit des BVU des Kantons Aargau geprüft worden sei. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der homogenen Erkennbarkeit wurde das abgelehnt. Eine von den Projektverfassern in Auftrag gegebene Begehung im Wald Weichlen am 13. Januar 2023 habe zudem ergeben, dass von den betroffenen Bäumen fast die Hälfte eine abgestorbene Krone aufweise. Aus sicherheitstechnischen Gründen müssten diese unabhängig vom Bauprojekt sowieso gefällt werden. Das lässt Jenny nicht gelten: «Die Sicherheit hat auch für uns höchste Priorität. Die Bäume direkt an der Strasse müssten halt regelmässig untersucht und gepflegt werden.»
Am 8. März fand auf Anregung von Pro Natura ein Austausch zwischen Bauherrschaft, Planern und Naturschützern sowie Anwohnern statt. Einig waren sich alle Beteiligten, dass die Eiche erhalten werden soll. Jenny: «Sie kann trotz der Beschädigungen weitere 50 bis 200 Jahre wachsen und in dieser Zeit grosse Mengen CO² absorbieren. Kaum Überlebenschancen hat sie jedoch, wenn die Strassenverbreiterung kommt, da etwa die Hälfte ihres Wurzelwerks zerstört würde.» Die Einschätzung im Bericht der Begehung vom 13. Januar erscheine ihm oberflächlich und im Sinn der Auftraggeber erstellt, sagt Jenny: «Wir werden in unserer Einwendung eine professionelle Beurteilung durch Baumpflegespezialisten erstellen lassen, die ebenfalls Park- und Stadtbäume untersuchen und pflegen, damit keine Unfälle passieren.»
Wildwechsel beobachtet
Auch bezüglich Wildwechsel im Weichlenwald gibt es unterschiedliche Ansichten. Der ortsansässige Fredi Schären, Amphibienspezialist und früherer Forstwirt, beobachtet den Wald und seine Bewohner seit 30 Jahren und sagt, er sehe regelmässig Wildwechsel über die Landstrasse. Dem Wunsch nach Berücksichtigung dieses Umstands wurde nach Rücksprache mit der lokalen Jägerschaft aber nicht entsprochen. Johannes Jenny entgegnet: «Nur weil kein Wildtierkorridor im Richtplan eingezeichnet ist, heisst das nicht, dass kein Wild wechselt. Es gab Wildunfälle, und es wird mehr geben, wenn die Strasse breiter wird und schneller gefahren werden kann.»