Doris Knecht: Eine vollständige Liste aller Dinge die ich vergessen habe

In der Rubrik «Buchtipp» erzählen Mitarbeitende der Gemeinde- und Schulbibliothek Windisch von ihren Leseerfahrungen – und sorgen so für Inspiration.

Die namenlose Icherzählerin steht an einem Wendepunkt im Leben. Sie ist Schriftstellerin, geschieden, alleinerziehend, die Zwillinge werden langsam erwachsen. Die Tochter will ausziehen, der Sohn eigentlich nicht, aber die Wohnung, in der die Familie fast 20 Jahre lang gelebt hat, ist jetzt definitiv zu gross und zu teuer. Doris Knecht erzählt kurzweilig und selbstironisch – vermutlich stark autobiografisch – von einem Neubeginn. Die Protagonistin reflektiert in kurzen Kapiteln ihr Leben, zieht Parallelen zwischen ihren Kindern und ihren eigenen Jugendjahren und fragt sich, wie stark man seinen Erinnerungen trauen kann und wie viel erfunden ist. Eine Schriftstellerin braucht ein Zimmer für sich allein, das wusste schon Virginia Woolf. Und das bekommt die Icherzählerin am Ende auch. Vielleicht zieht sie ein paar Gedankenschlaufen zu viel hinsichtlich ihrer Wohnsituation, zumal ich die Lösung schon länger voraussah. Doch das Buch ist ein einfühlsames Frauenporträt über die Kunst des Loslassens. Es verströmt eine sanfte Traurigkeit; es geht ums Verlieren, Vergessen und Verschenken. Vielleicht gefällt mir dieses leise Buch so gut, weil ich mich in einigen Situationen wiedererkenne.

Eine vollständige Liste aller Dinge die ich vergessen habe (Roman von Doris Knecht, Hanser Berlin, 2023).