«Jemand musste mal ein Zeichen setzen»

Jugendliche sorgen für Aufruhr. Nach einem Hilferuf der Vereine hat der Gemeinderat einen Sicherheitsdienst und die Polizei eingeschaltet.
Die roten Plätze, die alte Doppelturnhalle und die Veloständer (hinten rechts) haben sich zu Hotspots entwickelt. (Bild: mpm)

Am 16. Oktober erreichte den Gemeinderat Untersiggenthal ein Brief eines Mitglieds des Ranger-Hockey-Clubs, der es in sich hatte: Darin wird von einer Gruppe Jugendlicher zwischen 10 und 16 Jahren berichtet, welche die Bevölkerung regelrecht verunsichere. Schon länger werde man ständig aufs Übelste angepöbelt und beleidigt. Bei einem Training am Mittwoch, 11. Oktober, sei der Bogen aber endgültig überspannt worden, schreibt Absender M. S. (Name der Redaktion bekannt): «Während unseres Trainings hörten wir laute Geräusche vor der Doppelturnhalle. Jugendliche bearbeiteten einen Bagger, der für den Leitungsbau verwendet werden sollte. Sie traktierten die Schalthebel und so weiter.»

Apfelgrosse Steine fliegen
Als der Trainer die Jugendlichen des Platzes verweist, gehen sie zunächst zwar weg, kehren aber wenig später zurück: «Wir waren gerade in unser Spiel vertieft, als die ersten apfelgrossen Steine flogen. Unmittelbar neben uns schlugen diese ein.» Der Verfasser des Briefs beschloss, seine Sachen zu packen und nach Hause zu gehen.

Er kontaktierte anschliessend weitere Vereine im Dorf – alle hätten ähnliche Erlebnisse geschildert. Der Männerchor werde bei den Proben in der Aula durch Beleidigungen und Steinwurf angegangen. Die Guggenmusik Räbefoniker werde gestört und beleidigt, Trommelstöcke würden gestohlen. Einige Vertreter dieser Vereine bestätigen die Vorfälle gegenüber der «Rundschau». Als besonders bedrohlich wird im Brief beschrieben, dass die Jugendlichen mit E-Scootern in hoher Geschwindigkeit über das Areal der Schule, aber auch über Trottoirs brettern und man ihnen ausweichen muss, um nicht zu verunfallen.

Auf Facebook thematisierte der Verfasser in der Gruppe «Du bisch vo Untersiggenthal, wenn …» diese Vorfälle ebenfalls – und erhielt dort breite Zustimmung. «Leider ist das die Regel», schreibt ein Mitglied. Ein Vater berichtet, seine Kinder würden mit Fussballspielen aufhören, wenn diese Jugendlichen kämen. Ein Mitglied des STV schildert, die Polizei komme entweder gar nicht oder sie fahre kurz vorbei, und danach gehe das Ganze von vorn los. Man ist sich einig: «Es muss endlich etwas passieren, bevor jemand verletzt wird.»

Der Brief, der von fünf weiteren Vereinen unterstützt werde, endet mit einer Forderung an den Gemeinderat: «Wir erwarten einen klaren Massnahmenplan zur Verbesserung der Verhältnisse, beispielsweise durch einen Sicherheitsdienst.»

Verstärkte Polizeikontrollen
Gemeindeammann Adrian Hitz bestätigt, dass der Brief in der Gemeinderatssitzung vom 23. Oktober behandelt worden sei. Bereits eine Woche zuvor habe eine andere Privatperson den Gemeinderat über den Vorfall vom 11. Oktober informiert. Man habe die Sache ernst genommen und Sofortmassnahmen eingeleitet: «Wir haben einen privaten ­Sicherheitsdienst beauftragt, regelmässig zu patrouillieren. Zudem haben wir die Stadtpolizei Baden gebeten, verstärkte Kontrollfahrten zu machen.» Diese habe sich sehr offen gezeigt und die Fachgruppe Prävention unter der Leitung von Patric Nussli hinzugezogen, die engen Kontakt zur Schule pflege und die Jugendszene in Untersiggenthal kenne. Der Sicherheitsdienst Gisi Com aus Gebenstorf wurde beauftragt, an den Wochenenden ab dem 20. Oktober verstärkt zu patroullieren. Gleichzeitig wurde das verlängerte Halloweenwochenende abgedeckt. «An diesem Abend haben wir schon seit einigen Jahren zunehmend Probleme», so Adrian Hitz. Die ersten beiden Wochenenden seien gemäss Rapport jedoch ruhig gewesen.

Generell seien den Behörden die Hände gebunden, solange kein Vorfall rapportiert und somit die genaue Identität der Personen festgestellt werden könne, sagt der Ammann. Die Gemeinde möchte deshalb härter gegen die E-Scooter-Fahrer vorgehen und hat die Stadtpolizei Baden gebeten, Kontrollen vorzunehmen. Erst Mitte Oktober hatte die Stapo bei Kontrollen in der Tunnelgarage und in der Cordulapassage in Baden zahlreiche Bussen verteilt. «Wir hoffen, damit einige Unruhestifter identifizieren zu können», so Adrian Hitz.

Er hat bei der Einweihungsfeier des neuen Zentrums Ende September selbst seine Erfahrungen mit pöbelnden Jugendlichen gemacht: «Als wir am Sonntagabend gegen 22 Uhr aufräumen wollten, wurde unser Abwart mit blöden Sprüchen bedacht. Ich schritt ein, worauf sie verschwanden», erzählt Hitz. Das respektlose Verhalten hat ihn aber beschäftigt. Sobald die Übeltäter persönlich erwischt würden, könne man die Eltern in die Pflicht nehmen. Auch der Beizug der Jugendarbeit könnte zum Thema werden. «Wir versuchen, möglichst sachlich zu bleiben.»

Präventionsanlass in der Schule
An der Schule Untersiggenthal seien keine solchen Vorfälle bekannt, erklärt Gesamtschulleiterin Silvia Mallien auf Anfrage. «Bezüglich eines Vorfalls wurden wir vom Männerchor angesprochen. Die Schulleitung hat sich darauf mit einer kleinen Delegation getroffen.» Respekt und Toleranz würden an der Schule Untersiggenthal immer wieder aufs Neue thematisiert. Am Mittwoch, 8. November, findet dieses Jahr beispielsweise ein Tag der Gemeinschaft für Respekt und Toleranz statt. Dieser Anlass habe aber nichts mit den aktuellen Vorkommnissen zu tun, betont Mallien. Sie ist überzeugt: «Die beste Prävention ist der direkte Kontakt mit Betroffenen und den Jugendlichen.»

Gemeindeammann Hitz verspricht, man werde die Situation genau beobachten und sicherstellen, dass sie sich nicht ausweite. M. S. hofft derweil, dass sein Brief hilft, die Situation zu verbessern. Generell habe sich die Lage mit den tieferen Temperaturen zwar etwas beruhigt, weil sich weniger Leute draussen aufhielten: «Aber jemand musste mal ein Zeichen setzen.»