Suche nach dem kleinen Fünkchen Glück

Wie reagiert ein Kind auf den Suizidversuch der Mutter? Es listet alles auf, was schön ist auf der Welt. Lara Bumbacher berührt in «All das Schöne».
Schauspielerin Lara Bumbacher bei den Proben zum neuen Theaterstück «All das Schöne» in der «Unvermeid-Bar». (Bild: ub)

Es wird ein ganz besonderer Moment sein, wenn die Schauspielerin Lara Bumbacher mit dem Stück «All das Schöne» in der «Unvermeid-Bar» Premiere feiert. Denn obwohl sie in Baden geboren und aufgewachsen ist, tritt sie das allererste Mal vor heimischem Publikum auf, und es ist ihre erste Rolle auf Schweizerdeutsch. Während sie bisher mit internationalen Theater-Ensembles auf der Bühne stand, wird im etwas über eine Stunde dauernden Solostück ihre persönliche Strahlkraft und schauspielerische Bandbreite mehr denn je gefordert sein. Bei den Proben im Vorfeld wirkt die 28-Jährige motiviert und optimistisch. «Ich liebe es, mich Herausforderungen zu stellen und Neues auszuprobieren. Daran wachse ich», sagt sie. Die Regie von «All das Schöne» übernimmt Theaterfrau Stella Palino Brunner. Die beiden kennen sich seit der letzten Badenfahrt. Bumbacher war Regieassistentin beim Festspiel «Unerhört-Revü», und es war bald klar, dass man nach der guten Zusammenarbeit weiterhin gemeinsame Sache machen wollte.

Den Blick auf die Welt verändern
Was machst du als Kind, wenn deine Eltern abwesend sind und deren Halt und Unterstützung vollends fehlen? Wenn die Mutter so stark am Leben zweifelt, dass sie versucht, es selber zu beenden? Und der Vater mit dieser Situation derart überfordert ist, dass er den Rückzug antritt und aufhört zu sprechen? Lara Bumbacher ist in «All das Schöne» dieses Mädchen, das total auf sich allein gestellt anfängt, für ihre Mutter eine Liste zu schreiben mit all den schönen Dingen, die das Leben zu bieten hat. So wie es sich das in seiner kindlichen Fantasie vorstellt. Zum Beispiel ein Eis essen, Wasserschlachten veranstalten oder einfach die Farbe Gelb. Jeden Tag kommen neue Ideen dazu. Aber nicht alles wird automatisch besser. Das Kind gibt die Hoffnung nicht auf und macht weiter. Die Liste wächst und wächst, wird zum festen Bestandteil des Alltags bis ins Erwachsenenalter. Tagtäglich reflektiert die zur Frau reifende Figur darüber, was am Tag alles passiert ist und versucht, sich auch unter widrigsten Umständen auf einige positive Aspekte des Lebens zu konzentrieren – seien sie auch noch so klein. Ein besonders schöner Einfall kommt ihr da beispielsweise in den Sinn, oder der Vogel, den sie am Morgen auf der Dachrinne hat sitzen sehen. Über eine Million Dinge, die das Leben lebenswert machen, trägt sie über die Jahre zusammen und erlebt, wie die Liste mit all dem Schönen ihren Blick auf die Welt verändert hat.

Alltagsbewältigung
Obwohl die Suizidversuche einer Mutter und Depressionen zentrale Motive im Theaterstück des britischen Autors und Regisseurs Duncan Macmillan sind, ist es in seinem Kern lebensbe­jahend und voller Humor. Bumbacher bezeichnet es als Wechselbad zwischen dem, was einen am Leben verzweifeln lässt und dem, was es so wunderbar macht. Sie wird in der «Unvermeid-Bar» mitten im Publikum spielen und spontan mit ihm interagieren. «Alles ist sehr intim und authentisch. Kein Abend wird wie der andere sein», sagt sie im Vorfeld und freut sich jetzt schon auf die kommenden Aufführungen vom 28. Dezember 2023 bis zum 6. Januar 2024. Überall im Raum hängen kleine Zettel mit positiven Gedankenanstössen, die laufend ergänzt werden können. Natürlich auch von den Besucherinnen und Besuchern. Sich hinzusetzen, bewusst nach den kleinen Fünkchen des Glücks im Alltag zu suchen und diese niederzuschreiben wie in «All das Schöne», erweist sich auch im realen Leben als sehr wohltuendes Ritual. «Wenn wir anfangen, darüber zu reflektieren, gibt es meist mehr Schönes, als uns auf den ersten Blick bewusst ist. Ich habe auch privat damit angefangen, eine Liste zu führen und spüre eine positive Veränderung.»

Karriere in Wien
«Lara ist sehr natürlich und authentisch auf der Bühne, und man nimmt ihr die Rolle, die sie spielt, vollkommen ab», findet Regisseurin Stella und schwärmt von der Ausstrahlung und dem Charme der Schauspielerin mit dem wilden Lockenkopf und den grossen, ausdrucksstarken Augen. Für ihre Bühnenausbildung zog sie vor sechs Jahren nach Wien und arbeitet seither als freischaffende Schauspielerin an verschiedenen Theaterhäusern im deutschsprachigen Raum. In ihrer jungen Karriere kann sie bereits auf verschiedene Tourneen und Engagements für renommierte Betriebe wie dem Klagenfurter Ensemble, dem Theater «Spielraum» und der «Jungen Bühne Bern» zurückblicken. Dass Bumbacher von der Schauspielerei leben und Stücke auswählen kann, die sie liebt, erachtet sie als riesiges Privileg. Sie erforscht in ihren Rollen gerne emotionale Extremzustände und liebt Figuren mit einer gewissen Abgründigkeit. Die Actrice bezeichnet sich selber im Gegensatz dazu privat als unkompliziert, ehrlich, gesellig und neugierig. Nach Baden kommt sie nur noch tage- oder wochenweise – vor allem um die Eltern zu besuchen – und natürlich während der Badenfahrt. «Früher zog es mich in die Grosstadt, deshalb verliess ich meine Heimat. Heute geniesse ich die Intimität und all die schönen Ecken hier umso mehr. Wenn ich mich umschaue, hat sich kaum etwas verändert. Das ist irgendwie liebenswert», findet Lara Bumbacher und lacht.

Die Aufführungen von «All das Schöne» in der «Unvermeid-Bar» an der Rathausgasse 7 in Baden finden an folgenden Daten statt: 28., 29. und 30. Dezember, 20 Uhr; 31. Dezember, 19 Uhr; 4. und 5. Januar, 20.30 Uhr; 6. Januar, 18.30 Uhr. Tickets und weitere Informationen sind unter teatropalino.com zu finden.