Volle Ränge im Fussballstadion Esp und zeitgleich eine von Gästen gut besuchte Badener Einwohnerratssitzung – was Seltenheitswert hat. Der Grund für den Aufmarsch: Das Stadtparlament nahm acht Politikerinnen und Politiker aus dem neuen Ortsteil Turgi in Pflicht und erhöhte so seine Mitgliederzahl für eine zweijährige Übergangsphase auf 58. Ein historischer Moment, den eine grössere Gruppe Turgemerinnen und Turgemer auf der Estrade des Schulhauses Burghalde miterleben wollte.
Zu den Sachgeschäften: Wie viele andere Städte und Gemeinden hat es die Stadt Baden verpasst, das vor 20 Jahren in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz im Bereich des öffentlichen Verkehrs fristgerecht umzusetzen und für barrierefreie Bushaltestellen entlang der Gemeindestrassen zu sorgen. Namens der Finanzkommission (Fiko) stellte Jürg Mützenberg (Grüne) fest, dass der Blick zurück – zu den Ursachen des Versäumnisses – niemandem diene und das Thema keinen weiteren Aufschub erlaube. Der Fiko habe sich allerdings die Frage gestellt, ob es richtig sei, 54 Haltekanten mit einem Globalkredit von fünf Millionen Franken zu finanzieren, oder ob es besser wäre, den Weg über einzelne Kredite zu wählen. Dennoch stimme die Fiko einem Gesamtkredit zu. Reicht dieses Geld, fragte sich Christoph Perrin (SVP) und kritisierte zudem die Planungskosten der Haltekanten, «bei denen es sich nicht um architektonische Kunstwerke handelt». Am Schluss der Debatte sagte der Rat einstimmig Ja zum Kreditbegehren. Übrigens: Turgi hat seine Bushaltestellen bereits saniert und nun als Mitgift in die Fusion eingebracht.
Der Zusammenschluss mit Turgi spielt auch ins Badener Planungsleitbild hinein. Dieses Papier, in dem für verschiedene Bereiche die Herausforderungen und Ziele der Stadt skizziert und festgelegt sind, bedarf einer Aktualisierung. In diese sollen Turgemer Themen einfliessen – vor allem soll aber das Leitbild zu einem Instrument werden, das optimal mit der Finanzplanung und anderen Sachstrategien der Stadt verknüpft ist. Das bedingt Zeit. Aus diesem Grund schlug der Stadtrat vor, die Geltungsdauer des aktuellen Papiers zu verlängern und für 76 000 Franken für die Ausarbeitung einer Neukonzeption zu budgetieren – eine Idee, die bei allen Fraktionen auf Zustimmung und sogar auf Begeisterung stiess.
Begegnungszone per Antrag
Umstritten war ein anderes Geschäft: Begegnungszonen mit Tempo 20. Initiiert wurde das Thema 2022 von Steven van Petegem (Grüne) mit einem Postulat, das vom Parlament zur Bearbeitung an den Stadtrat überwiesen wurde. Darin wurden Rahmenbedingungen gefordert, unter denen Quartierbewohnerinnen und -bewohner für «ihre» Strasse Begegnungszonen initiieren und mitgestalten können. Die Lösung des Stadtrats sieht vor, dass Anwohnerinnen und Anwohner (oder Quartiervereine) einen Antrag stellen können, den aber 50 Prozent der Betroffenen unterschrieben haben müssen. Ist das erfüllt, wird anhand von fixen Kriterien geprüft, ob sich eine Strasse als Begegnungszone eignet.
So weit, so gut – gäbe es nicht Kritik aus den Reihen von FDP und SVP. Daniel Schneider (FDP) fand es falsch, dass nicht nur die Quartiervereine für die Anträge zuständig sind. «So laufen wir Gefahr, dass ein Jekami (jeder kann mitmachen) entsteht und Einzelinteressen verfolgt werden.» Mike Rinderknecht (SVP) sah das Verfahren als Teil einer gegen Autofahrer gerichteten Strategie, die aber auch den öffentlichen Verkehr sowie Velofahrerinnen und -fahrer zu Tempo 20 zwinge. Eine Mehrheit des Einwohnerrats stimmte mit 38 Ja zu 15 Nein dem Vorgehen des Stadtrats zu. Bereits seit dieser Woche können auf der Website der Stadt Begegnungszonen mit Tempo 20 beantragt werden.