Prosit mit alkoholfreien Drinks

Eine Nussbaumerin macht bei Dry January mit und erzählt von ihren Erfahrungen. Nach einem üblen Neujahrskater meldet sich Sarah bei Dry January an – ein Projekt mit Tücken. Nun spricht sie über ihre «Abenteuerreise».
Dass der Ausgang auch ohne Alkohol Spass macht, bewies die von Dry January organisierte alkoholfreie Kneipentour in Bern. (Symbolbild: DisobeyArt/stock.adobe.com)

Als Sarah* aus Nussbaumen nach der Silvesterparty am 1. Januar mit einem Kater und dem Handy in der Hand erwacht, springt ihr ein Post von Dry January Schweiz auf Instagram entgegen: «Seid ihr Team 0:00 Uhr oder Team Es-geht-los-nach-dem-Aufwachen?» Sie hatte vom weltweiten Projekt, einen Monat lang keinen Alkohol zu trinken, gehört. «Daran teilzunehmen, war bislang jedoch kein Thema», sagt die junge Frau und lacht. In Kombination mit dem Kater und ihrem Vorsatz, gesünder zu leben, meldete sie sich spontan online an und lud die entsprechende App herunter. Innert weniger Sekunden erhielt sie die erste E-Mail mit Informationen für einen gelungenen Start in den trockenen Januar – darunter zwei britische Studien und diverse Tipps, wie alkoholfreie Alternativen bereitzuhalten, Belohnungen einzuplanen oder Freunden vom Vorsatz zu erzählen, «damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass du dich auch tatsächlich daran hältst», hiess es.

Eindrückliche Studien und eine Vorwarnung
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Sarah an die Abmachung mit sich selbst hält, «war nach dem Lesen der beiden Studien recht gross», erinnert sie sich und schmunzelt. Aus der Dry-January-Studie geht hervor, dass sich knapp 70 Prozent der Teilnehmenden nach einem alkoholfreien Monat gesünder fühlen, mehr Energie haben und längerfristig weniger Alkohol trinken. Mehr als die Hälfte verliert an Gewicht und strahlt mit einer schöneren Haut. Doch auch unbemerkt finden nach einer kurzen Phase des Alkoholverzichts im Inneren des Körpers zahlreiche positive Veränderungen statt. So wird gemäss einer Studie des Royal Free Hospital, Grossbritannien, das Risiko, an Diabetes zu erkranken, vermindert. Reduziert werden der Cholesterinwert sowie der Blutdruck, und das Risiko von Proteinen im Blut, welche die Entstehung diverser Krebsarten begünstigen, sinkt.

«Solche Studien machen Eindruck und bringen einen zum Nachdenken. Ich war gespannt, wie sich dieser Monat auf meine Gesundheit auswirken würde und ob mir diese 31 Tage, so die Vorwarnung von Dry January, lang vorkommen würden.» Obwohl sie nicht täglich trinke, seien es schon hie und da ein Glas Wein, dort ein Apéro und im Ausgang ein paar Drinks.

Alkohol im Überangebot und langweilige Alternativen
Nach dem Motto «Zusammen ist man stark» versuchte Sarah, ihre Freunde für den Dry January zu motivieren, und teilte den Link im Chat der Neujahrsparty. «Hallo zusammen, wer macht mit? Ich habe mich eben registriert.» Die Reaktionen seien eher dürftig ausgefallen, meint Sarah und schmunzelt. «Sie wollten nicht auf den Genuss von Alkohol verzichten, weil sie schliesslich nicht so viel trinken würden», war die einheitliche Meinung. Ob es so etwas für Zucker gebe, «das wäre eine echte Challenge für mich», so eine ihrer Freundinnen.

Sarah startete ihr Abenteuer, wie sie es nennt, am Vormittag des 1. Januar allein. «Die ersten vier Wochen waren sehr speziell. Zum ersten Mal in meinem Leben fiel mir auf, dass kaum ein Anlass ohne Alkohol über die Bühne geht.» Sei es über Mittag, am Feierabend, im Kino oder beim Spielabend: «Alkohol ist omnipräsent, und die allermeisten trinken ihn.» Bedenklich sei, dass es für Menschen, die keinen Alkohol trinken wollten, meist wenig Alternativen gebe. «Mit Wasser, Orangensaft oder Softgetränken wie Cola stösst man nicht mit anderen an. Dadurch wird man spürbar zur Aussenseiterin, wenn nicht gleich zur Spassbremse.» Dabei gebe es inzwischen guten alkoholfreien Prosecco, alkoholfreie Weine oder alkoholfreie Spirituosen, mit denen leckere Mocktails, alkoholfreie Cocktails, gemixt werden könnten.

Wer nicht trinkt, muss sich (nicht) entschuldigen
«Abenteuerlich waren auch die Konfrontationen mit Menschen, die mich verdutzt anschauten, als ich keinen Alkohol trinken wollte, und fragten, ob ich eine Alki sei oder was denn genau mit mir los sei.» Sarah, die sich nicht vorstellen will, wie solche Situationen für Menschen sind, die alkoholkrank sind, schüttelt den Kopf und sagt: «Alkohol ist die einzige Droge, für die man sich rechtfertigen muss, wenn man sie nicht konsumiert. Zudem denken viele, dass irgendetwas mit einem nicht stimmt, wenn man auf Alkohol verzichtet. Das ist doch schräg, oder nicht?» Sie habe sich mit dem Dry January «entschuldigt», um diesen unangenehmen Situationen, in denen mehrere Personen gleichzeitig auf eine Antwort warteten, zu entkommen. «Viele neigen dazu, ihren Alkoholverzicht begründen zu wollen. Dabei wäre es nicht notwendig.» Nein zu sagen, sei schwer genug. Jedes Mal quasi eine Ausrede auf Lager haben zu müssen, sei anstrengend.

Sarah zieht Bilanz und zeigt sich überrascht von den Effekten
Trotz Hürden und Unannehmlichkeiten blickt Sarah positiv auf den trockenen Januar zurück. «Ich schlafe besser, meine Haut ist schöner, ich habe abgenommen, fühle mich glücklicher, gesünder und fitter», so ihre Bilanz. Und: Wie die App auf ihrem Handy rechnet, hat sie in dieser Zeit auf mehr als sechs Liter Rotwein verzichtet. «So gesehen ist das eine Menge Alkohol – selbst wenn es der Schweizer Norm entsprechend ‹nur› ein Glas Wein oder eine Einheit von 200 Milliliter pro Tag gewesen wäre.»

Überrascht von den Effekten auf Körper, Seele und Geist hat sie sich entschlossen, bei Sober Spring mitzumachen. «Das bedeutet, dass ich bis in den Frühling keinen Alkohol trinken werde und vielleicht noch länger.» Sie sei froh, einen Gedankenanstoss von Dry January erhalten zu haben, die eigenen Gewohnheiten und den Konsum zu überdenken. Die Droge Alkohol werde viel zu sehr verharmlost. «Und ja, es war am Anfang vor allem am Wochenende schwierig, darauf zu verzichten, weil ich es gewohnt war, automatisch Alkohol zu wählen.» Dass es im Ausgang anders geht, bewies die von Dry January organisierte alkoholfreie Kneipentour in Bern. «Es war eine schöne Erfahrung, auf einer alkoholfreien ‹Sauftour› zu sein. Wir hatten jede Menge Spass, und ich konnte neue Kontakte knüpfen.» Nüchtern betrachtet, seien alkoholisierte Menschen nicht unbedingt sexy. Abgesehen davon, habe sie in dieser Zeit viele neue alkoholfreie Alternativen entdeckt, dass sie gar keine Lust mehr auf Alkohol habe. Und: «Ich hatte seit dem 1. Januar keinen Kater mehr», sagt Sarah und lacht.

* Name von der Redaktion geändert