«Die Unterkunft wird engmaschig geführt»

Am 1. Mai fand die öffentliche Begehung des kantonalen Asylzentrums statt. Die «Rundschau» sah sich im Vorfeld mit den Verantwortlichen um.
Karl-Heinz Graf, Leiter Sektion Betreuung Asyl ad interim beim Kantonalen Sozialdienst (KSD), und Colin Wirth, Sektorchef für Migration bei der Securitas AG. (Bilder: EJO)

Einladend sind die unterirdischen Asylunterkünfte nicht. Mit den Absperrungen und den Containern gleicht der Eingang in die geschützte Sanitätsstelle des Zivilschutzdienstes einem militärischen Checkpoint – eine Szenerie, die im ersten Moment abschrecken mag. Doch in dieser Anlage, die jeden Tag rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst betreut wird, werden bis zu 150 Flüchtlinge unter anderem aus Syrien, Afghanistan, Sri Lanka, der Türkei und der Ukraine ein temporäres Dach über dem Kopf erhalten.

Offiziell eröffnet wird die kantonale Notunterkunft am 6. Mai. Dann werden die ersten 20 Männer ihr neues Zuhause beziehen, in dem sie neben einem Empfang, einer Apotheke, die von medizinischem Personal betreut wird, Schränken, sanitären Anlagen, Schlaf- und Aufenthaltsräumen mit TV und WLAN auch einen Waschraum vorfinden werden. Weil es in der geschützten Sanitätsstelle keine Kochgelegenheit gibt, wird ein Catering täglich drei Mahlzeiten liefern.

Wie die «Rundschau» berichtete, ist der Standort der kantonalen Notunterkunft in der Nähe von Schulen und Kindergärten umstritten. Um der Bevölkerung allfällige Unsicherheiten oder Ängste zu nehmen, lud der Kanton Aargau am 1. Mai zur Besichtigung der Räumlichkeiten ein. Rede und Antwort standen neben Bettina Lutz Güttler, Frau Gemeindeammann Obersiggenthal, auch Pia Maria Brugger Kalfidis, Leiterin Kantonaler Sozialdienst (KSD), und Karl-Heinz Graf, Leiter Sektion Betreuung Asyl ad interim, sowie Vertreterinnen und Vertreter des Betreuerteams (Securitas AG).

Die «Rundschau» erhielt die Möglichkeit, im Vorfeld das Gelände zu begehen. Anwesend waren Karl-Heinz Graf und Colin Wirth, Sektorchef für Migration bei der Securitas AG, die vom KSD mit der Betreuung der Geflüchteten in der Notunterkunft beauftragt ist.

Karl-Heinz Graf und Colin Wirth: Sie haben keine leichte Aufgabe. Während Sie in den Asylzentren für Sicherheit, Recht und Ordnung sorgen, sorgt sich die Gemeinde um ihre Sicherheit …
Karl-Heinz Graf:
Wir nehmen die Anliegen der Gemeinde sehr ernst. Wie bei allen anderen Asylunterkünften im Kanton ist im Vorfeld der Eröffnung von temporären Unterkünften immer eine gewisse Unsicherheit aus der Bevölkerung zu spüren. Das Vertrauen muss man sich stets neu erarbeiten. Es kommt meist erst mit dem Betrieb, der einer strengen Führung und einem entsprechenden Sicherheitskonzept unterliegt. Obersiggenthal wird wegen der zentralen Lage engmaschig geführt.

«Engmaschig» – können Sie das bitte konkretisieren?
Colin Wirth:
Der Gemeinderat Obersiggenthal hat aufgrund der zentralen Lage in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Alterszentrum eine No-goZone definiert, in denen sich die Geflüchteten nicht aufhalten sollen.

Diese No-go-Zone kann nicht abgeriegelt werden. Wie wollen Sie sicherstellen, dass sich die Flüchtlinge von dieser fernhalten?
Karl-Heinz Graf:
Im Container hinter uns wird das Betreuungspersonal mit jedem einzelnen Geflüchteten ein Eintrittsgespräch führen – wenn nötig mit Dolmetscher. Dort erklären die Betreuer alle Regeln, darunter die No-go-Zone. Danach muss jeder mit seiner Unterschrift bestätigen, dass er die Regeln verstanden hat.
Colin Wirth: Mehr noch: Das Sicherheitskonzept sieht regelmässige Patrouillen unter anderem in der No-go-Zone vor – zudem wird die Unterkunftsleitung eng mit der Regionalpolizei Baden und der Kantonspolizei Aargau zusammenarbeiten. Bei Verstössen gegen die Regeln ergreift das Betreuerteam Massnahmen. Ausserdem steht der Bevölkerung eine 24-Stunden-Hotline zur Verfügung. Wer Ungewöhnliches beobachtet, kann sich jederzeit melden.

Wie viele No-go-Zonen gibt es und wo – abgesehen von Schule, Kindergarten, Altersheim – befinden sich diese?
Colin Wirth:
Die genannten Orte bilden im Wesentlichen die No-go-Zone. Bis zur öffentlichen Besichtigung wird der KSD diese noch auf einer Karte abbilden.

Wir befinden uns beim Eingang, der mit Absperrungen und Containern an einen militärischen Checkpoint erinnert. Was geschieht hier neben den Eintrittsgesprächen noch?
Colin Wirth:
Das Betreuerteam besteht aus Betreuerinnen und Betreuern, die sich um die Bewohner kümmern, und aus Sicherheitspersonal beim Eingang, das rund um die Uhr für Sicherheit sorgt. Die Geflüchteten müssen sich den Regeln entsprechend benehmen, es dürfen keine unbefugten Personen die Unterkunft betreten.

Wie gross ist die Begleitgruppe?
Karl-Heinz Graf: In der Begleitgruppe sind die Gemeinde, die Blaulichtorganisationen, die Anwohner, die Freiwilligendienste, die Unterkunftsleitung sowie der KSD vertreten. Wie der Name sagt, hat sie das Ziel, den Betrieb zu begleiten. So können Rückmeldungen, zum Beispiel aus der Anwohnerschaft, direkt in die betrieblichen Abläufe einfliessen.

Neulich hat ein Flüchtling in Aarau einen Brand in der Notunterkunft ausgelöst – trotz Sicherheitspersonal …
Karl-Heinz Graf:
Leider gibt es einzelne schwierige oder sogar delinquente Personen, denen man mit Massnahmen oder Anzeigen begegnen muss. Grundsätzlich läuft aber der Betrieb in den kantonalen Unterkünften ruhig. Diese Menschen haben viele Strapazen auf sich genommen, um hierherzukommen. Sie wollen in der Schweiz bleiben, und dementsprechend benehmen sie sich. Für eine Dummheit den Aufenthaltsstatus zu riskieren, das macht kaum jemand.

Was wollen Sie damit sagen?
Karl-Heinz Graf: Der Bund weist dem Kanton Aargau bisher primär Personen aus der Ukraine, der Türkei, aus Syrien, Afghanistan oder Sri Lanka zu. Diese haben intakte Bleibeperspektiven und wollen sich in der Schweiz integrieren. Negativ fallen eher Personen auf, die wenig Chancen auf Asyl haben. Diese bewegen sich in der ganzen Schweiz, wenn sie straffällig werden, und sind oft nicht im Kanton Aargau untergebracht.

Die Bewohner verfügen über unterschiedliche Aufenthaltsbewilligungen. Wie werden diejenigen beschäftigt, die nicht arbeiten dürfen?
Karl-Heinz Graf:
Die Zentrumsleitung wird sich um ein Beschäftigungsprogramm kümmern – das reicht vom Aufräumen und Putzen bis zur Integration in die Bevölkerung, zum Beispiel beim Helfen für ein Fest. Natürlich sind sie oft auch mit dem Erlernen der Sprache beschäftigt.

Am 6. Mai kommen die ersten 20 Personen. Wie geht es dann weiter?
Karl-Heinz Graf:
Es werden jede Woche rund 20 Personen hinzukommen. Das schrittweise Hochfahren gibt dem Team Zeit, die Abläufe im Betrieb zu optimieren. Die maximale Belegungszahl beträgt 150 Personen.

Karl-Heinz Graf: Sie haben einige Erfahrungen im Betreuungsbereich sammeln können. Bis zu 150 Männer in einer unterirdischen Unterkunft – wie sieht der Alltag dort aus?
Karl-Heinz Graf:
Ich kann aus Erfahrung sagen, dass die Betreuung rund um die Uhr, egal, ob Familien oder Einzelpersonen anspruchsvoll ist. Was ich ebenso regelmässig feststelle: Viele Flüchtlinge haben ein Freundschaftsnetz oder Verwandte in der Schweiz, die sie regelmässig besuchen. An Wochenenden ist es in den Unterkünften oft ruhig.

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Hier geht es zur kantonalen Notunterkunft im Technischen Zentrum. (Bilder: EJO)

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Eingang der Asylunterkunft.

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Der Empfang mit «Apotheke» und «Post».

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Die Betten stehen bereit.

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