«Die spürbare Distanz änderte sich rasch»

Markus Brun will Pfarrer werden. Im Interview spricht er über die Wahl, die Stimmung im Gottesdienst, seine Stärken und die Kirche der Zukunft. Die drei katholischen Pfarreien Gebenstorf, Birmenstorf und Turgi gehen am Sonntag, 3. März an die Urne.
Markus Brun möchte Menschen eine geistige Heimat geben. (Bild: zVg | José R. Martinez)

Markus Brun hat nach einer stürmischen Zeit rund um den umstrittenen Pater Adam vor einem Jahr das Pfarramt in Gebenstorf-Turgi übernommen («Rundschau» berichtete). Der Priester, der seither als Seelsorger in den drei Pfarreien tätig ist, arbeitet Seite an Seite mit Kaplan Beat Reichlin. Laut den beiden Kirchenpflegen Gebenstorf-Turgi und Birmenstorf erfüllt Brun alle Voraussetzungen für eine Wahl und wurde vom Bischof vorgeschlagen. Nach der Wahl wird er für alle drei Pfarreien die erforderliche Missio erhalten und vom Bischof zum designierten Pastoralraumpfarrer ernannt.

Markus Brun, Sie haben keinen Konkurrenten. Damit ist Ihre Wahl so sicher wie das Amen in der Kirche …
Wenn Sie so wollen, ja, das stimmt. Ich bin der einzige Kandidat, und somit gibt es tatsächlich keine Möglichkeit für eine Auswahl aus weiteren Kandidaten. Ich sehe die Wahl eher als Gradmesser, um festzustellen, ob der vom Bischof und von den beiden Kirchenpflegen Birmenstorf und Gebenstorf-Turgi vorgeschlagene Kandidat von einer grösseren Anzahl Kirchgemeindemitgliedern akzeptiert wird. Und das hoffe ich natürlich.

Sind Sie vor der Wahl trotzdem etwas aufgeregt?
Spannend kann die Wahl mit lediglich einem Kandidaten ja gar nicht sein. Deswegen bin ich auch nicht aufgeregt. Aber neugierig – «gwundrig», wie wir im Dialekt sagen – bin ich schon. Denn das Ergebnis ist ein Stimmungsbild aus dem Kirchenvolk. Wer von den katholischen Christinnen und Christen aus Birmenstorf, Gebenstorf und Turgi hält es wohl für gut, die Mühe eines Urnengangs oder einer brieflichen Abstimmung auf sich zu nehmen und einem Pfarrer auszudrücken, dass er bei ihnen willkommen ist? 

Sie haben das Pfarramt in Gebenstorf-Turgi nach einer turbulenten Zeit übernommen. Gegenüber der «Rundschau» äusserten Sie, dass in den Gottesdiensten eine Distanz spürbar sei. Wie ist es heute?
Die zu Beginn spürbare Distanz änderte sich rasch. Vielleicht deswegen, weil Kaplan Beat Reichlin und ich aktiv auf die Menschen zugingen. Uns ist es wichtig, dass wir uns nach jedem Gottesdienst von den Besucherinnen und Besuchern persönlich verabschieden. Das geschieht mit einem ermutigenden, guten Wort. Manchmal gehört auch ein offenes Ohr für die Anliegen und Sorgen dazu. Dass jede und jeder wahrgenommen und angenommen ist, wirkt sich auf die Stimmung in den Gottesdiensten aus. Wertschätzung, Zutrauen und Versöhnungsbereitschaft wollten und wollen wir immer noch in die Pfarreien hineintragen. «Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus», habe ich als Kind gelernt. Das spüren wir Seelsorger in den Pfarreien.

Von den Kirchenpflegen werden Sie in den höchsten Tönen gelobt – mit Ihnen werde ein Traum wahr. Welche Eigenschaften zeichnen Sie als künftigen Pfarrer aus?
Das müssten Sie am besten die Menschen fragen, die mich kennen. Ich versuche in allen Aufgaben, auch in der Leitung als Pfarrer, «Seel-Sorgender» zu bleiben. Mit zwei Ohren und nur einer Zunge. Das hat Vor- und Nachteile. Aber es entspricht mir. So wie beim Musizieren. Ich spiele gern Klavier, am liebsten gemeinsam mit anderen Instrumenten oder begleitend beim Singen. Dort muss ich ebenfalls den Ton angeben. Dabei ist das Wichtigste, dass es ein harmonisches Ganzes gibt, stimmig ist, begeistert und Freude macht.

Werden Sie sich die Gottesdienste und die Seelsorge nach der Wahl weiterhin mit Beat Reichlin teilen?
Im Wesentlichen bleibt alles gleich. In Birmenstorf ist Beat Reichlin Ansprechperson, in Gebenstorf-Turgi bin ich es. Die Gottesdienste und Pfarreiveranstaltungen teilen wir uns auf. Zeitweise erscheinen wir gemeinsam. Wir werden – wie bis anhin – laufend überprüfen, was zu verändern nötig ist oder was besser gemacht werden kann. Der weitere Aufbau des Pastoralraums ist ein laufender Prozess, der uns alle fordert. Der Pastoralraum Wasserschloss wird am 21. April von Bischof Felix errichtet, danach geht die Arbeit weiter.

Wie sehen Ihre drei Pfarreien der Zukunft aus?
Wie erwähnt, schliessen sich die drei Pfarreien noch diesen Frühling zum Pastoralraum Wasserschloss zusammen. Ich sehe diesen als Ort mit vielen unterschiedlichen Menschen, die hier bei uns ihre geistige Kraftquelle finden. Wir möchten den Menschen ermöglichen, positive Beziehungen aufzubauen, die tragen und dass sie dadurch eine Gemeinschaft erfahren, die ihnen bei ihren Herausforderungen des Lebens Rückhalt gibt. Dabei soll der Glaube als etwas Befreiendes, Stärkendes, Aufbauendes und als freudebringend erfahren werden, damit das Leben gelingen kann. So hat es Jesus Christus als der gute Hirt verheissen: «Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.»

Die Kirchen stehen allgemein vor grossen Herausforderungen. Wie viele Kirchgänger verzeichnen Sie im Schnitt, und sind es hauptsächlich ältere Menschen?
Es ist, wie Sie sagen. Die Herausforderung ist sehr gross. Auch hier im Wasserschloss erleben wir, was die katholische Kirche in Westeuropa durchmacht: immer weniger und mehrheitlich ältere Menschen. Bei uns sind es an Werktagen je nach Kirche zwischen 10 und 30, an Wochenenden zwischen 30 und 100 Gläubige. Wir hören von den Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern, dass die Besucherzahl wieder zugenommen habe, doch die Beerdigungen übersteigen die Taufen um ein Vielfaches. Aber ich beobachte mit Freude, dass an den Wochenenden vermehrt junge Erwachsene den Gottesdienst mitfeiern. Zudem durften wir zehn neue Lektorinnen und Lektoren willkommen heissen.

Gibt es Strategien oder Vorhaben, jungen Menschen der drei Pfarreien den Gottesdienst schmackhaft zu machen? Und ist das in Anbetracht der vielen Skandale überhaupt noch möglich?
Ja, das ist möglich. Geht es doch darum, jungen Menschen eine geistige Heimat sowie die Weitergabe des lebendigen persönlichen Glaubens zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass gerade junge Menschen in einer Welt, die in der Krise ist, auf der Suche nach tragfähigen, vertrauensvollen, ehrlichen Beziehungen sind. Dabei ist Authentizität unabdingbar. Zum Beispiel finden Seelsorgegespräche und Beichtgespräche bewusst im geschützten und dennoch öffentlichen Kirchenraum statt. Bei Veranstaltungen, Ausflügen sind immer mehrere Erwachsene, Frauen und Männer dabei. Ich stelle mir vor, in naher Zukunft Räume zu schaffen, wo aktuelle Themen, die Glaube, Leben und Welt betreffen, in lockerer Atmosphäre diskutiert werden können.

Weshalb sollte ich zu Ihnen in den Gottesdienst kommen?
Um eine neue Erfahrung zu machen. Kommen Sie doch einfach vorbei und machen Sie sich selbst ein Bild davon. Ich freue mich auf Ihren Besuch.