Und nochmals Nein zu Tempo 30

Die Stimmberechtigten in Hausen und Riniken haben in Referendumsabstimmungen zuvor beschlossene Tempo-30-Vorlagen korrigiert.
Fundamentaler Widerstand gegen Tempo 30: «Jetzt reichts!» (Bild: Archiv)

In Hausen, wo Tempo 30 auf den Quartierstrassen seit 16 Jahren gilt, hätte die Temporeduktion auch auf einem 600 Meter langen Teilstück der Hauptstrasse, im Ortszentrum und im Schulbereich, versuchsweise eingeführt werden sollen. Die Gemeindeversammlung hiess das Vorhaben im letzten November mit 130 Ja gegen 70 Nein gut und bewilligte 29 000 Franken für einen einjährigen Testbetrieb. Aber jetzt wurde das Geschäft in einer Referendumsabstimmung an der Urne mit 954 Nein gegen 610 Ja abgelehnt.

In Riniken war Tempo 30 neu und flächendeckend auf allen Gemeindestrassen vorgesehen. Auch hier hatte die Gemeindeversammlung im November 2023 das Vorhaben mit dem nötigen Kredit von 68 000 Franken bei wenigen Gegenstimmen gutgeheissen. Dagegen wurde aber ebenfalls das Referendum ergriffen und in der Urnenabstimmung Tempo 30 definitiv mit 377 Nein gegen 260 Ja verworfen.

Hohe Stimmbeteiligung
In beiden Gemeinden war die Stimmbeteiligung hoch: In Hausen, wo die Abstimmungskampagne Wellen bis in die überregionalen, ja nationalen Medien schlug, nahmen 69 Prozent der Stimmberechtigten an der Entscheidung teil, in Riniken waren es 65,6 Prozent. Die Tempo-30-Anliegen waren an beiden Orten an früheren Gemeindeversammlungen durch Anträge aus der Bevölkerung ins Rollen gebracht worden. Die Gemeinderäte kamen den Begehren nach und arbeiteten entsprechende Vorlagen aus.

Dem Gemeinderat Hausen wurde aber vorgehalten, die Bevölkerung getäuscht zu haben, weil er sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es in seiner Kompetenz liege, Tempo 30 selbst zu verfügen. Diese Befugnis konnte er jedoch zunächst gar nicht ausnützen, weil er von der Gemeindeversammlung für die zu treffenden Massnahmen einen Kreditbeschluss benötigte. Zudem versicherte er, er werde über eine allfällige Tempo-30-Reduktion erst nach der Auswertung der Testresultate und einer Diskussion mit der Bevölkerung entscheiden. Die Gemeindeversammlung lehnte indessen einen Antrag, dass über den definitiven Tempoentscheid in jedem Fall nochmals abzustimmen sei, ausdrücklich ab.

Argumente und Gefühle
Den Gegnern gelang es, die Mehrheit der Stimmberechtigten zu überzeugen, dass die Temporeduktion unnötig sei. Sie konterten das Argument, dass Tempo 30 statt 50 dank dem kürzeren Bremsweg vor allem Schulkindern und älteren Personen mehr Sicherheit brächte, mit der Feststellung, in den letzten zehn Jahren sei auf dem fraglichen Strassenabschnitt kein einziger Unfall passiert – zwei tödliche frühere Unfälle blieben vergessen. Die SVP, die neben dem Referendumskomitee sowie drei früheren Gemeinderatsmitgliedern die offiziell erkennbare gegnerische Seite bildete, streute in einem Flyer mit erwiesenermassen falschen Andeutungen Verunsicherung, dass die Fussgängerstreifen im Zentrums- und Schulbereich bei Tempo 30 aufgehoben und entlang der Dorfstrasse Autos parkiert werden könnten. Ein Tiefpunkt der Abstimmungskampagne war die Zerstörung von Plakaten entlang der Hauptstrasse, auf denen Schüler um die Annahme der Vorlage baten.

Die Tempo-30-Opposition, wie sie sich besonders in Hausen manifestierte, scheint tief liegende Ursachen zu haben. Man hat den Eindruck, hier drücke sich eine fundamentale Abwehrhaltung aus gegen mehr Einschränkungen und Hürden, Gebote und Verbote. Das Gefühl «Jetzt reichts!» ist möglicherweise beim Ausfüllen auf manchen Abstimmungszettel geflossen. Frau Gemeindeammann Beatrice Bürgi aus Riniken sieht das ebenfalls so, wenn sie sich die am letzten Sonntag im Aargau generell abgelehnten Tempo-30-Vorlagen ins Bewusstsein ruft. In der allgegenwärtigen Mobilität scheine der Trend zur Verlangsamung wie ein Widerspruch zu wirken.