Der Betrug in kleinen Schritten

Vor Gericht findet eine langjährige Freundschaft ein bitteres Ende. Die Inhaberin eines Coiffeursalons wurde mutmasslich über Jahre hinweg von einer Angestellten um viel Geld betrogen. Anfang März kam es zum Prozess.
Kommt es im Brugger Betrugsfall zu einem Vergleich? (Bild: V. Senkiv - stock.adobe.com)

Die Anklagepunkte, die der Beschuldigten angelastet werden, sind happig. Ihr werden gewerbsmässiger Diebstahl, Urkundenfälschung und betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage vorgeworfen. Im Zeitraum von Februar 2017 bis Dezember 2020 soll die angeklagte Hairstylistin ihrer Chefin mindestens 74 000 Franken entwendet und in die eigene Tasche gesteckt haben. Ein herber Schlag für die Inhaberin des Salons, die im Strafverfahren als Privatklägerin auftrat. Sie war mit der ehemaligen Angestellten schon vor dem Arbeitsverhältnis über viele Jahre eng befreundet, ernannte sie sogar zur stellvertretenden Chefin und schenkte ihr volles Vertrauen.

Kleine Beträge summierten sich
Die entwendeten Beiträge waren stets klein und hätten auch allfälligen Tagesschwankungen unterliegen können. Mit der Zeit summierten sie sich aber. Damit die jeweiligen Tagesabschlüsse keine Auffälligkeiten aufwiesen, wurden sie aus dem Kassensystem storniert. Die Beschuldigte hatte dazu wie das restliche Mitarbeiterinnenteam mit einem Passwort Zugang. Als erste Unstimmigkeiten auftraten, die anfänglich noch keiner bestimmten Person zugewiesen werden konnten, schlug sie selbst vor, alle Passwörter zu ändern. In der persönlichen Befragung beider Parteien vor dem Bezirksgericht Brugg schilderte die Privatklägerin nochmals detailliert die vergangenen Geschehnisse. Stutzig wurde sie erstmals im Dezember 2020, als sie am Abend, als die beschuldigte Angestellte bereits weg war, selbst den Abschluss machte. Der Kassensaldo betrug null, obwohl eine Stammkundin am gleichen Tag bar bezahlt hatte, was diese später in der staatsanwaltschaft­lichen Befragung bestätigte. Die Geschäftsinhaberin hielt sich aber vorerst zurück und wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Vorwürfe wurden zurückgewiesen
Zu einer richtigen Prüfung des Falls kam es im Sommer 2021. Indizien lieferte vor allem das Kassenjournal, ein elektronisches Logbuch, in dem alle Kassenbewegungen – auch die gelöschten – registriert sind. Damit kam das Ausmass des Schadens zumindest teilweise ans Licht. Dieser dürfte deutlich höher ausgefallen sein als der letztlich zur Anklage gebrachte Betrag.

Im darauffolgenden August wurde der Beschuldigten schliesslich gekündigt, und sie wurde freigestellt. Im Kündigungsgespräch habe sie die Tat weder gestanden noch abgestritten. «Ich habe immer gearbeitet wie ein Esel, um das Geschäft vorwärtszubringen», sei eine ihrer Aussagen gewesen. Vor Gericht wies die 41-Jährige alle Vorwürfe zurück, mit denen sie konfrontiert wurde. An die mutmasslichen Taten, die von den Gerichtsvertretern nochmals aufgezählt wurden, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Und sich auch nicht erklären, warum viele Stornierungsaktivitäten in der Geschäftskasse über ihre Benutzernummer liefen. Wie bei jeder Person, die angeklagt ist, gilt bis zum eindeutigen gesetzlichen Beweis ihrer Straftat die Unschuldsvermutung.

Der Entscheid ist noch offen
Nach den persönlichen Befragungen der Privatklägerin und der Beschuldigten wurde der Prozess im Bezirksgericht Brugg unterbrochen, um mit den Parteivertretern und dem Staatsanwalt über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Der Gerichtspräsident schlug statt der von der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach geforderten Freiheitsstrafe von 21 Monaten und einer Busse von 8000 Franken eine vergleichsweise Erledigung des Verfahrens vor. Nach einigen Diskussionen hinter verschlossenen Türen wurde mitgeteilt, dass die Parteien sich geeinigt hätten. Über den Inhalt der Vereinbarung herrscht strikte Geheimhaltung, es ist aber davon auszugehen, dass – wie es in solchen Fällen üblicherweise passiert – die Beschuldigte der finanziell geschädigten Privatklägerin eine Wiedergutmachungszahlung leistet und die Privatklägerin dafür ihr Desinteresse an einer weiteren Strafverfolgung bekundet. Sofern die in der Verein­barung formulierten Bedingungen in den kommenden Wochen erfüllt werden und die notwendige behördliche Genehmigung erfolgt, wäre der Prozess abgeschlossen. Wenn nicht, wird die Hauptverhandlung zu einem späteren Zeitpunkt mit den Plädoyers der beiden Anwälte und der Staatsanwaltschaft fortgesetzt, bevor es zur endgültigen Verurteilung kommen dürfte.