«Ich wollte Grafiker werden»

Im Laufe der Jahrzehnte hat Urs Busslinger unzählige Werke geschaffen. Ein Umzug zwingt den Wettinger nun, seinen Bestand zu verringern.
Urs Busslinger muss sich gezwungenermassen von einigen seiner Schätze trennen. (Bild: sim)

Urs Busslinger ist fest in der Region verwurzelt. Der gelernte Maschinenzeichner wuchs in Rütihof auf, ging in Baden zur Schule und machte seine Lehre bei der Firma Oederlin in Rieden. Eigentlich hatte ihn aber bereits damals ein anderer Beruf stärker gereizt: «Ich wollte Grafiker werden, aber damals hiess es, das sei kein seriöser Beruf», erklärt er im Gespräch in seinem Atelier. In der Freizeit aber malte und zeichnete er viel mit verschiedenen Techniken und über die Jahre hinweg hat er hunderte Werke geschaffen. Obwohl er immer wieder Stücke verkaufte und verschenkte, hat sich im Laufe der Zeit einiges angesammelt. Sein Atelier auf dem Lüscherhof in Wettingen, das ihm gleichzeitig als Ausstellungsraum dient, ist voll mit Kunstwerken aller Art. Sein Alter und ein bevorstehender Umzug innerhalb Wettingens haben Urs Busslinger nun dazu veranlasst, seine Werke zu günstigen Konditionen zu veräussern.

Stetiger Wandel
Doch zurück zum Anfang: Urs Busslinger fügte sich in sein Schicksal, schloss seine Lehre in Rieden bei Baden ab, blieb seiner kreativen Ader jedoch stets treu. «Im Unternehmen bekam man schnell mit, dass ich gern zeichne. Deshalb durfte ich bei den ­Jubiläumsfeiern grosse Porträts der Jubilare anfertigen», sagt der Künstler. Den Schock, den die Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy 1963 bei ihm auslöste, verarbeitete Urs Busslinger, indem er eine Reihe von Porträts des Ermordeten zeichnete. Da begann er, sich ernsthafter für die Kunst zu interessieren, und eignete sich das Zeichnen mit Bleistift und Kohle an. «Fünf Jahre später dachte ich mir, dass ich eigentlich gern einmal Farbe in meine Werke bringen würde.» Der heute 75-Jährige besuchte eine Reihe von Malkursen unter anderem bei Horst Pietrowski, der ihm das Aquarellmalen beibrachte. Mit seiner Heirat 1975 zog Urs Busslinger nach Wettingen. Gemeinsam mit seiner Frau führte er ab 1993 einen eigenen Handelsbetrieb in Leder und Textil. In der wenigen Freizeit blieb er seinem Hobby Malen immer treu.

Neben der Entdeckung seiner Begeisterung für Aquarelle hat sich der Wettinger im Laufe der Jahre weitere Techniken und Methoden angeeignet. Einige Jahre widmete er sich intensiv dem Aktzeichnen, wo es besonders darum geht, die Posen schnell zu erfassen und auf das Papier zu bringen. Jazz sowie alles, was damit zu tun hat, spielte in den Werken des Jazzfans durchgehend eine wichtige Rolle. Über seine gesamte künstlerische Karriere hinweg hat Urs Busslinger alle nur denkbaren Visualisierungen von Jazzmusik in seinen Werken materialisiert. Besonders ausgeprägt kam diese Vorliebe zum Tragen, als er sich mit etwa 40 Jahren den Acrylfarben zuwandte. Wieder eine ganz eigene Disziplin. Anders als beim Aquarellmalen kann man mit Acrylfarben Bestehendes beliebig übermalen und umgestalten. Diese künstlerische Freiheit geniesst der Vater zweier Töchter nach wie vor.

Eher zufällig erwarb der Wettinger ein kleines Stück Wald in Würenlos. So war der Gedanke nicht weit, das Holz zur künstlerischen Gestaltung zu nutzen. Nach einem Holzbildhauerkurs beim Künstler Daniel Eggli begann er, Holzstücken aller Art mit der Motorsäge Figuren zu entlocken. Diese Tätigkeit führte Urs Busslinger vor einigen Jahren zu einem Höhepunkt seines Schaffens. Als 2021 in dem kleinen Tessiner Bergdorf Rasa der Dachstuhl der Kirche erneuert wurde, wusste niemand, wohin mit den alten Holzbalken. Urs Busslinger bekam Wind davon, und so landeten die 300-jährigen Balken aus Edelkastanie unter seiner Säge. Während rund dreier Monate lebte der Künstler in dem Bergdorf und schuf in dieser Zeit über 50 Skulpturen. Von den Holzfiguren war es nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt bis zur Drehbank. Das Drechseln war die bisher letzte Station auf Urs Busslingers künstlerischer Reise.

Überbleibsel aus allen Phasen seines Schaffens finden sich heute in Urs Busslingers Atelier. Dort sind sie an den letzten drei Wochenenden im April jeweils nachmittags wohl zum letztem Mal in diesem Umfang zu sehen.