Die Super-PHEV kommen

Plug-in-Hybride (PHEV) können auf kurzen Strecken rein elektrisch fahren. Doch nun zeigt sich ein neuer Trend.
Der Wey 05 des chinesischen Herstellers GWM ist aktuell der PHEV mit der grössten E-Reichweite in Europa. (Bild: zVg)

Der Plug-in-Hybridantrieb galt lange als schlechter Kompromiss. Zusätzlich zum Verbrennungsmotor noch einen schweren Elektromotor und eine grosse Batterie samt der nötigen Technik mit sich zu schleppen, das wirkt nicht wie der Weisheit letzter Schluss. Denn schliesslich soll es bei dieser Technologie ja darum gehen, der Umwelt einen Gefallen zu tun – so zumindest werden Plug-in-Fahrzeuge (PHEV) vermarktet. Viele Autohersteller machten denn auch lange Zeit keinen Hehl daraus, dass PHEV nicht sinnvoll seien. Zumindest hinter vorgehaltener Hand hörte man es überall: zu schwer, zu teuer, zu aufwendig und im reellen Gebrauch nicht etwa sparsam, sondern im Gegenteil noch verbrauchsintensiver, wegen des hohen Gewichts und der Tatsache, dass die meisten PHEV-Besitzer ihr Fahrzeug nicht ans Ladekabel hängten.

Dann änderte sich die Ausgangslage. Durch die Einführung strengerer CO2-Vorschriften und die neue WLTP-Norm bei der Zulassung, wurde der Plug-in-Hybridantrieb für die Hersteller plötzlich sehr interessant. Da sie den WLTP-Normzyklus mit einer vollen Batterie unter bestmöglichen Bedingungen absolvieren dürfen, weisen PHEV zuweilen fantastische Verbrauchswerte auf: Ein Fünfmeter-SUV mit 2,5 Tonnen Leergewicht kann da schon mal auf einen Normverbrauch von 1,5 Litern auf 100 Kilometer kommen. Das kommt bei der Kundschaft gut an und senkt den CO2-Flottenschnitt der Hersteller massiv. Nun änderte sich die Kommunikation der Hersteller schlagartig: Die PHEV sind nun plötzlich die neuen Heilsbringer. Von teuer, schwer und ineffizient will heute keiner mehr reden.

Nur als Übergangslösung?
Während die grossen Autohersteller nun also ein PHEV-Modell nach dem anderen auf den Markt warfen, änderten sich die Rahmenbedingungen erneut: In Brüssel entschied das EU-Parlament, dass in Europa ab 2035 nur noch batterieelektrische Fahrzeuge verkauft werden sollen – und das brachte die Hersteller erneut in Zugzwang. Die Modellstrategie wird nun zwangsläufig auf den Batterieantrieb ausgerichtet – doch grosse Teile der Kundschaft, so zeigen die aktuellen Verkaufszahlen, wollen kein Elektroauto. Auch in dieser Situation kommt der Plug-in-Hybridantrieb für die Hersteller wie gerufen: Nun werden PHEV als perfekte Übergangslösung vermarktet, für all jene Kunden, die erst mal ein wenig in die Elektromobilität hineinschnuppern wollen.

Als Folge darauf schossen die Zulassungszahlen für PHEV massiv nach oben. Besonders in Ländern wie Deutschland, wo Plug-in-Hybride lange mit hohen Rabatten subventioniert wurden, waren sie plötzlich enorm gefragt. Kein Wunder, denn oft sind die PHEV die Topvarianten der Baureihe, und mit Bezuschussung waren sie plötzlich auch noch die günstigsten Versionen. Die Tatsache, dass viele PHEV-Besitzer ihr Fahrzeug nie ans Ladenetz anschliessen, zeigt, dass oftmals nicht der Umweltgedanke der Kaufgrund ist. Eine Auswertung eines Herstellers in Deutschland ergab, dass rund drei Viertel aller PHEV-Kunden ihr Fahrzeug bis zum ersten Service kein einziges Mal an die Steckdose gehängt hatten.

Weit über 100 Kilometer
Nachdem Deutschland die sogenannte Umweltprämie für Steckerfahrzeuge gestrichen hatte, brachen die Verkaufszahlen ein: 2022 wurde mit über 362 000 verkauften PHEV eine historische Rekordmarke erzielt, nach Ende der Subvention hat sich ihre Zahl vergangenes Jahr mehr als halbiert. In der Schweiz, ganz ohne Bezuschussung vom Staat, sind PHEVs hingegen sehr gefragt: Im vergangenen Jahr wurden 23 220 Neuwagen mit einem Plug-in-Antrieb verkauft, was eine Zunahme um 26,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sowie einen beachtlichen Marktanteil von 9,2 Prozent bedeutet.

Das Modellangebot ist inzwischen riesig. Abgesehen vom Kleinwagensegment, wo der Plug-in-Antrieb weder sinnvoll noch wirtschaftlich ist, hat sich die Technologie flächendeckend ausgeweitet. Ein neuer Trend dabei sind Plug-in-Fahrzeuge mit riesigen Batterien und entsprechend hohen elektrischen Reichweiten – nennen wir sie Super-PHEV. Sie schaffen inzwischen Normwerte weit über 100 Kilometer und verbrauchen daher, sofern man sie regelmässig ans Kabel hängt, erstaunlich wenig Treibstoff.

China gibt den Ton an
Für Automobilforscher Ferdinand Dudenhöffer geht diese Entwicklung in die falsche Richtung: «Jetzt will man Plug-in-Hybride bauen, die 150 Kilometer elektrisch fahren können. Da kann ich gleich 250 oder 300 Kilometer daraus machen und spare mir den Verbrennungsmotor, der sehr teuer ist», meint der Autoexperte. Und er fasst es prägnant zusammen: «Hosenträger und Gürtel braucht man nicht.» Tatsächlich wurde diese nächste Hürde von 150 Kilometern Elektroreichweite bereits gerissen: Der Wey 05, ein knapp 4,9 Meter langer SUV des chinesischen Herstellers Great Wall Motors, soll mit seiner 42-kWh-Batterie 158 Kilometer nach WLTP-Norm rein elektrisch schaffen.

Auf dem heimischen Markt haben die chinesischen Autohersteller noch ganz andere Kaliber mit hohen Reichweiten im Rennen – allerdings werden deren Werte teilweise nach dem weniger strengen chinesischen Normzyklus CLTC ermittelt und sind daher mit Vorsicht zu geniessen. So soll etwa der Elektro-Pick-up Changan Hunter PHEV bis zu 180 Kilometer nur mit Strom zurücklegen können, verbaut ist allerdings «nur» eine 31-kWh-Batterie. Noch deutlich einen drauf setzt der Lynk & Co. 08: Der auf dem Volvo XC60 basierende SUV soll in der PHEV-Variante sagenhafte 245 Kilometer rein elektrisch fahren können, allerdings ebenfalls nach CLTC-Kriterien gemessen. Er hat eine knapp 40 kWh grosse Batterie verbaut und übertrumpft damit so manches Elektroauto. Ob solche Modelle auch nach Europa kommen, wird sich zeigen.

Der Mercedes GLE hat als Erster die Hürde von 100 Kilometern elektrischer Reichweite überschritten. (Bild: zVg)