Waldböden sind ein sensibles Thema

An der Mitgliederversammlung von Pro Bözberg zeigte das prägnante Fachreferat von Förster Urs Gsell die Vorteile von Dauerwäldern auf.
Vereinspräsident Otto Suhner, der abgetretene Vizepräsident Kurt Bräutigam und Referent Urs Gsell. (Bild: cd)

Zur 22. ordentlichen Versammlung waren die Mitglieder am Abend des 17. April in die Turnhalle Oberbözberg eingeladen. Vereinspräsident Otto Suhner war nach der Begrüssung sichtlich bestrebt, dem Wunsch einiger Mitglieder nachzukommen, die offenbar nach der letztjährigen Versammlung um straffere Ausführungen gebeten hatten.

Durch eine Mitgliederumfrage war ermittelt worden, dass sich die Vereinsmitglieder an erster Stelle wünschten, dass sich Pro Bözberg weiterhin mit dem Thema Waldbewirtschaftung befassen möge. Der Vorstand werde seine Tätigkeitsschwerpunkte der nächsten Jahre auf dieses Resultat hin ausrichten, versprach Otto Suhner. «Wir werden uns weiterhin mit allen legalen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für die Erhaltung unserer Landschaft einsetzen, wie die Statuten uns das vorgeben.»

Suhner betonte die Bedeutung und zentrale Rolle des Waldes im Kampf gegen den Klimawandel. Aufgrund der fortschreitenden Entwaldung liege das Kohlenstoff-Speichervermögen der Wälder weltweit um etwa 328 Gigatonnen unter einem natürlichen Potential, zitierte Suhner aus einer international durchgeführten ETH-Studie, die das Speicherpotenzional der Wälder neu bewertet. «Die Studie beleuchtet die entscheidende Bedeutung natürlicher, vielfältiger Wälder, die bis zu dreissig Prozent des vom Menschen verursachten Kohlenstoffs binden könnten», gab Suhner zu bedenken.

Waldfrevel dokumentiert
Suhner zeigte auf den beiden Hellraumprojektoren Bilder von chaotisch abgeholzten Waldflächen, von tiefen Fahrspuren im sensiblen Waldboden und anderen frevelhaften Verhaltens im Wald. Ungefähr 40 «nicht akzeptable Flächenhiebe, Bodenverdichtungen und fragwürdige Waldbewirtschaftungen» waren in den letzten Jahren von Pro Bözberg dokumentiert worden. «Die Schutzdekrete und die Rolle der Natur zur CO2-Absorption scheint zwischen Bözen und Umiken wenig zu interessieren», kritisierte Suhner. Pro Bözberg erwarte von den zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden, dass sie bei den betroffenen Waldbesitzern und den zuständigen Forstbetrieben gezielt intervenieren, um solche Flächenhiebe, verbunden mit zu schwerem Maschineneinsatz, zu unterbinden. «Es geht auch anders, und wir sind ausserordentlich interessiert daran, was uns Urs Gsell zu sagen hat», kündigte Suhner den Gastreferenten an.

Naturnahe Waldwirtschaft
Urs Gsell, Förster und Betriebsleiter des Forstbetriebs Suhrental-Ruedertal, war eingeladen worden, um einen Vortrag zum Thema «Naturnahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung» zu halten. Der Fachmann, an dessen Forstbetrieb neun Gemeinden angeschlossen sind und der für die Bewirtschaftung von rund 1600 Hektaren Waldfläche verantwortlich ist – einem Bezirk, welcher der gesamten Waldfläche auf dem Bözberg entspricht –, war unter anderem zwölf Jahre lang Präsident des Aargauischen Försterverbands. «Mehr als 700 Forstleute aus ganz Europa besuchten schon seine Waldungen, um sich ein Bild seiner Schaffensweise zu machen», stellte Suhner den Förster vor.

Sein Referat sei nicht als Vorschrift zu verstehen, betonte Gsell: «Ich erzähle euch einfach, wie ich es mache und was ich beobachtet habe.» Der Förster berichtete von dem Moment des persönlichen Umdenkens bei der Waldbewirtschaftung: Als nach dem Sturm Lothar 1999 für die Aufräumarbeiten schwere Maschinen im Wald eingesetzt wurden, um die Schäden möglichst effizient zu beseitigen, habe er beim Anblick der tiefen Fahrrillen und Furchen gedacht: «Das kann dem Wald nicht guttun.» Seinem Eindruck folgend, liess sich der Waldhüter in Bodenkunde ausbilden. In diesem Studium sei die Bedeutung von Pilzen für Bäume eines der zentralsten Themen gewesen. «Pilze leben in faszinierender Symbiose mit Bäumen zusammen», erzählte Gsell. «Dank ihnen können die Bäume Mineralien aufnehmen und durch das Myzel, die Gesamtheit aller fadenförmigen Zellen eines Pilzes, ein Kommunikationsnetz mit anderen Bäumen aufbauen.» Bäume, die von diesem Kommunikationsnetz abgeschnitten seien, können nicht stark und gesund heranwachsen, erklärte der Forstbetriebsleiter.

Tausend Jahre Heilungszeit
Da Pilze, die nach heutiger Kenntnis näher mit Tieren als mit Pflanzen verwandt sind, keine Photosynthese betreiben können, ernähren sie sich von organischen Substanzen, die sie im symbiotischen Verhältnis als Gegenleistung von den Bäumen erhalten. «Pilze reagieren aber sehr sensibel auf Druck und Vibrationen», unterstrich Urs Gsell die Tragik, wenn Maschinen von 40 Tonnen und mehr Gewicht für Arbeiten im Wald eingesetzt werden. «Heute weiss man, dass es 1000 Jahre dauert, bis sich der Boden von einer solchen Verdichtung erholt hat.»

Bodenverdichtung habe die tragische Folge, dass die Pilzmyzelien sich nicht mehr ausbreiten können. Bäume, die nicht mehr von Pilzen versorgt sind, werden anfälliger für Stressfaktoren wie Hitze, Trockenheit, Kranheiten und Stürme.

Waldgesundheit ist die Mühe wert
Ohne Maschinen gehe es nicht, gab der Forstbetriebsleiter zu. Im Suhrental-Ruedertal fahre man mit Lastwagen und Gefährt aber nur auf den Waldstrassen. Die Bäume werden von Hand gefällt. «Wir ziehen sie mit Seilwinden hinauf bis zu den Strassen. Das ist Knochenarbeit, aber es ist es uns wert.» Gsell sprach auch von den Vorteilen, die ein Dauerwald mit sich bringe. In einem Dauerwald wachsen verschiedene Baumarten in unterschiedlichen Höhen und Altersstufen. Jungbäume erhalten so Schutz und Schatten.

Unter den Gästen befand sich der Brugger Forstbetriebsleiter Raphael Amsler. In der anschliessenden Fragerunde meldete er sich und berichtete, dass auch im Brugger Forstbetrieb der Dauerwald im Betriebsplan stehe, im Forstbetrieb Brugg und Bözberg erst seit 2014 nach diesem Prinzip gewirtschaftet werde. «Ein Dauerwald braucht Zeit», erklärte Amsler. Bezugnehmend auf die anfangs von Suhner gezeigten Fotos meinte der Brugger Forstbetriebsleiter, es handle sich um Situationen aus Privatwäldern. Auf die Nachfrage des «General-Anzeigers», welcher Natur die Spannungen zwischen Interessen von Forstbetrieb und Privatwaldbesitzenden seien, wollte Raphael Amsler später keine Stellung nehmen.

Die anwesenden Mitglieder genehmigten alle Traktandenpunkte und wählten Christian Schütz zum neuen Vorstandsmitglied. Kurt Bräutigam, der seit 2012 als Vizepräsident amtet, trat aus Altersgründen zurück. Die Grussbotschaft überbrachte Beat Berchtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK). Der Anlass wurde von den «Trionettli» aus Fricktal musikalisch begleitet.