Asylunterkunft sorgt für grossen Andrang

Bevölkerung zeigte bei der öffentlichen Begehung der Notunterkunft Präsenz und Skepsis: Rund 500 Personen trafen innerhalb von zwei Stunden bei der geschützten Sanitätsstelle ein, um die Asylunterkunft für 150 Männer zu begutachten.
Bei der öffentlichen Besichtigung der Notunterkunft für Asylsuchende war Geduld gefragt.(Bilder: ejo)

Am 1. Mai erhielt die Obersiggenthaler Bevölkerung die Möglichkeit, die umstrittene Asylunterkunft des Kantons Aargau zu begutachten – und das tat sie: Der Andrang zwischen 17 und 19 Uhr war zeitweise so gross, dass sich die Interessierten in der Warteschlange gedulden mussten, bis sie den Abstieg in die geschützte Sanitätsstelle (GSS) beim Technischen Zentrum antreten konnten.

Unten führten Vertreterinnen und Vertreter des Kantons und künftige Sicherheitsleute von der Securitas AG durch die Räumlichkeiten, die sich im Vergleich zu vorher deutlich wohnlicher zeigten: Neben einem Entree mit Empfang, Betten mit Schränken, gedeckten Tischen, einer Waschküche, zwei Aufenthaltsräumen mit Töggelikasten und Sofas sollen Kunstpflanzen, Bilder, Leuchtgirlanden und bunt gestrichene Wände für eine gemütlichere Atmosphäre sorgen. Weil es in der GSS keine Kochgelegenheit gibt, werden die Bewohner drei Mal täglich von einem Catering verköstigt (die «Rundschau» berichtete).

Alle Hände voll zu tun
Oberirdisch hatten Pia Maria Brugger Kalfidis, Leiterin Kantonaler Sozialdienst (KSD), und Karl-Heinz Graf, Leiter Sektion Betreuung Asyl ad interim, Colin Wirth, Sektorchef für Mi­gration bei der Securitas AG, und Jean-Pierre Gallati, Regierungsrat, alle Hände voll zu tun. Denn die Bevölkerung gab sich mit der Begutachtung der Unterkunft allein nicht zufrieden und zeigte sich sehr skeptisch. «Wieso werden 150 Männer in einem Gebiet einquartiert, in dem viele Kinder und ältere Personen wohnen? Welche Sicherheitsmassnahmen gibt es, ist die Arbeit der Feuerwehr beeinträchtigt, wie sieht der Tagesablauf dieser Personen aus, und fehlt der Bevölkerung die GSS nun als Schutzraum?», lauteten einige der kritischen Fragen, die gestellt wurden. Die Fragen wurden vor Ort beantwortet und vom Gemeinderat aufgenommen. Die Antworten des Kantons darauf werden demnächst auf obersiggenthal.ch publiziert.

Die No-go-Zonen, die der Gemeinderat definiert hat.

No-go-Zonen und Hotline
Rede und Antwort standen neben Bettina Lutz Güttler, Frau Gemeindeammann, und Tanja Marullo, Gemeinderätin, auch die Stadtpolizei Baden, die – wie die «Rundschau» im Vorfeld der öffentlichen Begehung berichtete – eng mit der Unterkunftsleitung zusammenarbeiten wird. So sieht das Sicherheitskonzept unter anderem Patrouillen in den No-go-Zonen (siehe Bild) vor. Wie Bettina Lutz Güttler gegenüber der «Rundschau» erklärte, geht es dabei vor allem um Schulareale und Wohneinrichtungen für Seniorinnen und Senioren. «Je nach Areal haben wir diese rund um die Uhr gesperrt, andere haben wir nach den Betriebszeiten teilweise freigegeben.» Damit wolle man zum Beispiel die Durchführung von sportlichen Aktivitäten mit Freiwilligen ermöglichen. Wer Ungewöhnliches beobachtet: Der Bevölkerung steht rund um die Uhr eine Hotline zur Verfügung.

Das Esszimmer ist parat.

«Werden genau hinschauen»
Ob es dem KSD gelungen ist, die aufgewühlte Bevölkerung zu beruhigen, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. «Der KSD und die Securitas AG werden das bewährte Betriebs- und Sicherheitskonzept umsetzen und so für einen möglichst ruhigen Betrieb sorgen», betonte Mediensprecher Michael Hassler in einem Gespräch. Die eingesetzte Begleitgruppe werde den Betrieb eng begleiten, damit die Abläufe wenn nötig optimiert beziehungsweise lokalen Bedürfnissen angepasst werden könnten. «Wir sind überzeugt, dass ein professionell geführter ruhiger Betrieb wie in den anderen Unterkünften auch in Obersiggenthal möglich ist», so Hassler.

Der Gemeinderat, der nach wie vor wenig über die Eröffnung einer Asylunterkunft in der Nähe von Schulen, Kindergarten und Alterszentrum erfreut ist, wird die Situation mit Argusaugen beobachten. «Die kantonale Notunterkunft ist Tagesthema bei allen Gesprächen mit der Bevölkerung», gab Lutz Güttler zu bedenken. Besonders die Nachbarschaft und die Angestellten und Bewohner des Alterswohnzentrums Gässliacker hätten ­Bedenken geäussert. In der Begleitgruppe sind laut Lutz Güttler zudem Personen aus der Nachbarschaft vertreten. Man werde die Lage genau beobachten und nötigenfalls zusammen mit dem Kanton Massnahmen ergreifen. «Die Erfahrungen anderer Gemeinden lassen hoffen, dass wir ebenfalls keine Probleme haben werden», fügte Lutz Güttler an.

Die Stadtpolizei Baden arbeitet eng mit der Securitas AG zusammen.

Freiwillige wollen helfen
Es gibt jedoch auch Positives zu berichten: Gemäss Lutz Güttler haben sich bereits Freiwillige gemeldet, die sich bei der Betreuung und der Beschäftigung der Asylsuchenden engagieren möchten. «Das ist natürlich sehr willkommen.» Ausserdem gibt es Anwohner, die gelassen auf die Eröffnung der temporären Notunterkunft schauen. «Ich habe keine Bedenken. Wir werden schauen, was auf uns zukommt. Freunde von uns in Birmenstorf haben bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht», sagte Gaby Märki, die 20 Meter von der Unterkunft entfernt lebt, gegenüber dieser Zeitung.

Von wegen «temporär»: Wie lang die Notunterkunft betrieben wird, ist unsicher. So ist die maximale Betriebsdauer laut Lutz Güttler mit der Dauer des ausgerufenen Notstands im Asylwesen verknüpft. «Nur solange dieser dauert, ist eine unterirdische Unterbringung zulässig. Der Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Kanton ist entsprechend ausgestaltet.» Will heissen: Wie lange die GSS tatsächlich in Betrieb sein wird, hängt von den Zuweisungen von Asylsuchenden des Bundes und den Unterbringungsmöglichkeiten des Kantons ab.

Einer der Aufenthaltsräume, die nun wohnlich sind.