Sie sucht in allem das Schöne

Rollanda Ibernini präsentiert in der Badener Galerie Anixis Objekte aus Fundgegenständen. Spannend ist neben ihrer Kunst auch ihre Biografie: Wie Künstlerin Rollanda Ibernini von Birmingham nach Birr kam.
Künstlerin Rollanda Ibernini vor einem ihrer Kunstwerke aus Fundstücken. (Bild: ub)

Für die Ennetbadenerin Rollanda Ibernini ist die Welt voller Schätze. Fast nie kommt sie von ihren Spaziergängen und Erkundungstouren ohne neue Fundstücke nach Hause – verrostete oder achtlos weggeworfene Gegenstände üben auf sie eine geradezu magische Anziehung aus. In ihrem Atelier im Oederlin-Areal macht sie dann mit ihren «Schätzen» eine Auslegeordnung, bearbeitet und kombiniert die verschiedenen Materialien auf Leinwand oder Holzträgern und lässt unter ihren Händen ausdrucksstarke neue Kunstobjekte von eigenwilliger Schönheit entstehen. Auf ihrem Tisch liegen Innenteile von Weinkisten, ausgedientes Verpackungsmaterial, Spulen aus Karton, alte Metallteile und Guetslibüchsen, Scharniere einer Tür, Tapetenreste und vieles mehr. «Auch eine alte Sardinenbüchse kann eine spannende Geschichte haben», meint sie. Die Künstlerin streicht liebevoll über ein Stück Holz mit makellos samtiger Textur. «Ich habe herausgefunden, dass es von einer etwa 2000 Jahre alten Wassereiche stammt. Bevor es auf der Müllhalde landete, habe ich es mir geschnappt», erzählt sie und lacht.

Ibernini lacht gern und oft. Dabei sind ihr Temperament und ihre Fröhlichkeit äusserst ansteckend. Die Künstlerin, die ihr genaues Alter partout nicht verraten will, bezeichnet sich selbst als lebenshungrigen Menschen und ist überzeugt: «Solange man neugierig bleibt, kann einem das Alter nichts anhaben.»

Liebe auf den ersten Blick
Als grösstes Glück in ihrem Leben bezeichnet sie ihren Mann Andrea, mit dem sie seit rund 40 Jahren zusammen ist. Kennengelernt haben sich die zwei in Basel, als sie mit ihrer damaligen Band als Sängerin auf der Bühne stand. «Er ging zum Schlagzeuger, den er kannte, und meinte: ‹Diese Frau werde ich einmal heiraten.› Das fand ich ziemlich frech», erinnert sie sich und strahlt wieder. Zu ihren Söhnen Joel und Julian pflegt sie ein inniges Verhältnis. Ihre Mutter war Sankt Gallerin, der Vater stammte aus Jamaika. Ihn bezeichnet sie als grosses Vorbild. «Mein Papa war ein starker Mann. Er hat mich Anstand gelehrt und mir Manieren beigebracht, diese Werte waren ihm wichtig, als wir in den 70er-Jahren wegen seines Jobs bei der ABB von Birmingham nach Birr zogen.»

Der Umzug von der mittelenglischen Industriemetropole in die ländliche Aargauer Gemeinde gestaltete sich für die damals Zehnjährige zuerst schwierig. Doch sie integrierte sich schnell und spricht heute von einer glücklichen Jugend, die sie dort verbringen durfte. «Ich hatte die liebsten Eltern der Welt», sagt sie im Rückblick. Die Zeit, in der sie miterleben musste, wie ihr Vater einer Krebskrankheit erlag, bezeichnet sie als bisher schlimmste ihres Lebens.

Ihre vielseitigen Interessen waren bei der Berufswahl nicht gerade förderlich. «Mich faszinierten schon immer alle schönen Dinge im Leben, sei es Musik, Kunst oder Design. Doch mein Vater hielt mich dazu an, eine vernünftige Ausbildung zu machen, und ich gehorchte.» Die angehende Erwachsene absolvierte bei der ABB eine vierjährige Lehre als Maschinenzeichnerin und gehörte zu den wenigen Frauen in der damaligen Männerdomäne. Im Nebenverdienst arbeitete sie als Model und posierte unter anderem für den Spengler-Katalog und das Musikmagazin «Pop». Noch heute präsentiert sie Mode für das Label Oliverio Fashion & Interior Design. Das Inhaberehepaar Oliverio organisiert jetzt im Gegenzug ihre vom 7. bis zum 22. Juni dauernde Ausstellung in den Räumen der Badener Galerie Anixis, in denen es seit 2021 mit seiner Boutique domiziliert ist.

Von der Fashion- in die Kunstwelt
Nach fünf Jahren bei der ABB war für Ibernini die Zeit reif für einen Tapetenwechsel. Die Modebranche faszinierte sie weiterhin – und der Wechsel klappte. Zehn Jahre war sie fortan im Ein- und Verkauf in einer Zürcher Boutique tätig. In den Achtzigerjahren wurde sie vom Aerobic-Fieber angesteckt, liess sich zur Instruktorin ausbilden und gab Kurse im Aargau und in Zürich. Dann trat die Kunst in ihr Leben. «Angefangen hat alles, als ich in Griechenland am Strand Teile eines alten Schiffwracks entdeckte. Da haben mich das Sammeln und das Verschönern von Wegwerfmaterial gepackt.»

Nach einer zehnjährigen Entwicklungszeit meint die Künstlerin heute, dass sie ihren Ausdruck gefunden habe. Andrea bezeichnet sie als ihren härtesten, aber auch besten Kritiker: «Er hat viel Kunstverständnis und sagt mir unumwunden, wenn ihm etwas nicht gefällt.» Das Ehepaar wohnte zuerst in Baden und lebt seit 30 Jahren in Ennetbaden. Dort engagiert sich Rollanda Ibernini in der Kulturkommission für die Ausstellungsreihe «Kunst im Treppenhaus». Anekdoten aus ihrem bewegten Leben kann sie haufenweise erzählen. Zum Beispiel über ihre Freundschaft mit Pepe Lienhard, der sie vor vielen Jahren in Gesang unterrichtete und der sie wegen ihres strengen Vaters immer bis vor ihre Haustür begleiten und pünktlich abliefern musste. «Ich versuche, stets in allem die schönen und positiven Seiten zu sehen», sagt die Künstlerin zum Schluss. «Wenn diese nicht auf Anhieb ersichtlich sind, suche ich so lang, bis ich sie finde.»