Man war sich an der zweiten regionalen Mobilitätskonferenz in Baden («Rundschau» vom 2. Februar) weitgehend einig: Die Verkehrsbedürfnisse der Zukunft – bis 2040 leben rund 30 Prozent mehr Menschen im Ostaargau – können nicht mit noch mehr Strassenraum befriedigt werden. Die Lösung, um künftige Transportbedürfnisse bewältigen zu können, sei, die Verkehrsspitzen zu brechen. Gestaffelte Unterrichtszeiten an den Schulen, flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice waren Stichworte – wie auch eine bessere Vernetzung von Personenauto, Velo und öffentlichem Verkehr.
Was meint der Fachmann zu diesen Zielsetzungen – welche Lösungsvorschläge hat er? Kay W. Axhausen ist ETH-Professor für Verkehrsplanung und Transportsysteme. Ihn haben der Verein Limmat Mobil und die Interessengemeinschaft für siedlungsverträgliche Mobilität auf den 22. März für ein Referat mit Fragerunde und Apéro nach Baden eingeladen. Was darf man vom international renommierten Experten Axhausen an neuen Erkenntnissen erwarten?
Planung und Verzicht
In seinem Büro auf dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich sagt er: «Eine eher pessimistische Prognose.» Auch er sieht die Lösung des Problems in einer Reduktion der Verkehrsmenge – die aber einen massiven Verhaltenswechsel bedinge. «Sind wir zu diesem bereit? Und können wir diesen auch vollziehen?» Nicht alle Leute können, dürfen und wollen im Homeoffice arbeiten.
Eine Reduktion der Verkehrsmenge könne man auch über den Preis erreichen – oder via Zwang (gleiche Mobilitätskontingente für alle). Eine andere Stellschraube seien Parkplätze und deren Preis. «Die Frage ist, wollen das die Leute, will das die Politik?» Ein planerisch wichtiger Ansatz ist für Axhausen, Arbeitsstätten und Wohnen näher zusammenzubringen – was auch für den täglichen Einkauf gilt. «Der Dorfladen muss wieder aktiviert und genutzt werden», sagt er. Betreffend den Arbeitsweg hat Axhausen in einer seiner Studien Folgendes festgestellt: Je höher die Bildung eines Einzelnen ist, desto länger ist dessen Arbeitsweg – da dieser Personenkreis für ihre hochbezahlte Stelle einen längeren Weg auf sich nimmt. Zudem wechseln Leute mit höherer Ausbildung häufiger ihre Arbeitsstelle, um sich beruflich weiterzuentwickeln.
Zum Thema Auto stellt Axhausen fest, dass wir uns von der Idee verabschieden müssten, der eigene Personenwagen sei ein Menschenrecht. Klar, die Technik entwickle sich weiter, aber auch mit dem E-Auto lasse sich das Klimaziel 2050 kaum erreichen. Und zum Thema «Mehr Menschen in unserem Land»: «Wir benötigen sie und ihre Produktivität, um unsere Renten zu sichern.» Dieses Wachstum sei künftig – insbesondere mit Blick auf den Verkehr – nicht mehr gratis, sondern mit Verzicht in verschiedenen Bereichen verbunden.
Selbstfahrende Taxis
Mit welchen Verkehrsträgern soll die Mobilität der Zukunft bewältigt werden? Kantonsschüler äusserten an der Mobilitätskonferenz die Idee einer Schwebebahn à la Wuppertal. «Das ist nichts anderes als ein aufgeständertes Tram, das nicht die Strasse nutzen muss – man gewinnt dort nicht sehr viel an Kapazität», so der Verkehrsexperte. Grosse Vorteile macht Axhausen nicht aus. Im Gegenteil. «Wollen die Leute, dass die Passagiere ihnen in die Wohnung schauen können?» In Singapur gebe es eine Hochbahn, bei deren Zügen die Fenster der Bahn immer dann matt gestellt werden, wenn diese an Häusern entlang fahren.
Eine gute Lösung sieht Axhausen in selbstfahrenden Autos – allerdings nicht in solchen im Privatbesitz, sondern in Form von automatisierten Taxis. In einer Simulation haben der Professor und sein Team festgestellt, dass der motorisierte Individualverkehr mit solchen Taxis um ein Drittel auf noch 29 Prozent des Gesamtverkehrs zurückging. Dafür stieg der Anteil des öffentlichen Verkehrs mit selbstfahrenden Bussen, Bahnen und Taxis auf über 60 Prozent.
Mittwoch, 22. März, 19 Uhr
Saal Roter Turm, Rathausgasse 5
Baden